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IV. Aus der weiten Welt.
wurden zum Tränken hinabgetrieben. Unten am Flusse war das Bild weit
angenehmer: himmelhohe Felsen, dazwischen tiefsandige Schluchten, niedrige
Sträucher und hohe, dichtbelaubte Ana- und Dornbäume. Hastig wurde ab¬
gekocht und gegessen, dann sank alles unter dem hellstrahlenden Sternenhimmel
in tiefen Schlaf. Nur das Rauschen und Gurgeln des Flusses, der leise
Schritt der Posten, das Wiehern eines Pferdes, das Bellen der hungrigen
Schakale unterbrach die Stille der Nacht. Die Feuer verglommen allmählich.
Morgens weckte die Trompete die Schläfer. Schnell wurde Kaffee
gekocht und ein Bissen Brot gegessen; dann ging es hinauf auf die Fläche,
wo die Wagen unter Bedeckung standen. Die Ochsen wurden eingespannt,
die Marschkolonne formierte sich - vorwärts! Wir marschierten der Kühle
wegen von 6 bis 9 Uhr früh und von 3 bis 6 Uhr nachmittags; oft wurde
auch noch ein Nachtmarsch eingelegt. Dr. Richter und ich ritten stets hinter
der Kolonne her; wir waren dafür verantwortlich, daß keiner zurückblieb.
Wir mußten oft viel treiben und schelten, um die todmüden Nachzügler zu¬
sammenzuhalten. Bedeutete doch für den einzelnen das Verirren in dem
unbekannten Gelände sicheren Tod.
2.
Unser Marsch ging auf Salem zu. Hier verließen wir den Swakop,
der uns durch tägliche Bäder erfrischt hatte, und schlugen den geraden Weg
auf Tsaobis ein. Die Straße wurde nun sehr schlecht. Zunächst ging es
in dem trockenen, tiefsandigen Bette eines Nebenflusses bergauf, durch dunkle,
scharf eingeschnittene Hohlwege, dann über Klippen und Felstrümmer. Kaum
so breit, daß die Räder der Wagen Platz hatten, lief die Straße, eingeengt
zwischen hohen Felsen auf der einen und einem tiefen Abgrunde auf der
andern Seite, auf eine kleine Hochfläche, die wir erklimmen mußten. Es
bedurfte aller Geschicklichkeit der Treiber, um ein Abstürzen der Fuhrwerke
zu verhüten. Kisten und Kasten, Tonnen und Säcke flogen in ihnen durch¬
einander, wenn sie mit Gepolter unter Ächzen des Holzwerks und Krachen
der Räder von einer der oft mehr als fußhohen Steinstufen, die den Weg
durchsetzten, auf die nächstniedrige Platte aufflogen. Dies kann eben nur
ein afrikanischer Ochsenwagen aushalten. Wahre Ungetüme sind für das
Auge des Europäers diese „fahrenden Wohnungen", in denen der Afrikaner
oft wochen-, monate-, selbst jahrelang rrtit Kind und Kegel haust, die sein
Heim sind und die oft, besonders bei den im Graslande umherziehenden
Treck-Buren, alles enthalten, was er fein eigen nennt.
Endlich wurde der Weg besser, und nach einem starken Nachtmarsch
erreichten wir Tsaobis. Die Sonne ging gerade auf, als Leutnant von Frangois
uns zurief: „Dort liegt die Feste!" Und richtig: in dem Meer von Felsen