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Waren sie aber von großer Gestalt, so warf er sie auf das kleine Bett und
hieb mit seinem Beile die Füße ab, die über das Bett herausragten; so
mußten sich die Armen hilflos verbluten. Einen gleichen Tod fand
er nun selbst, nachdem Theseus ihn bezwungen und auf das kleine Bett
geworfen Hattos
Der Ruf dieser Heldentaten, durch welche Theseus die Straße für die
friedlichen Wanderer sicherte, ging vor ihm her; in Athen fand der Herr-
liche Jüngling freudige Aufnahme, und als er dem König Agens das
Schwert vorzeigte, schloß ihn dieser in seine Arme und erkannte ihn unter
den Jubelrufen des Volkes als seinen Sohn und Thronfolger an.
B. Theseus' Fahrt nach Kreta.
Bald erwarb sich Theseus große Verdienste um seine neue Vaterstadt.
So bezwang er z. B. einen wütenden Stier, der in der Umgegend von
Marathon das Gebiet von Athen verwüstete. Aber die größte Wohl-
tat für die Athener war die Bezwingung des Minotaurns.
Dies war ein entsetzliches Ungeheuer, welches auf der Insel Kreta
lebte. Der König von Kreta, Mlnös, hatte von dem berühmten Bau-
metster Dadalns das Labyri nth (s.Lesebuch I, 30a) erbauen lassen, einen
großen Irrgarten mit vielen sich kreuzenden Wegen, aus dem sich niemand
wieder herausfinden konnte. Dort hauste der Minotaurns. Damit er sich
ruhig verhielte, mußte er mit Menfchenfleifch gefüttert werden. Deshalb
hatte der mächtige König den benachbarten Völkern einen Tribut von Jüng-
lingen und Jungfrauen auferlegt, welche dem Miuotaurus zum Fräße vor-
geworfen wurden. So mußten auch die Athener jedes neunte Jahr sieben
Jünglinge und sieben Jungfrauen liefern.
Noch nicht lange war Theseus in Athen, da sollte wieder einmal
der Tribut abgesendet werden, und in der ganzen Stadt herrschte tiefe
Trauer, vor allem aber bei den Eltern und Geschwistern der auserwählten
Jünglinge und Jungfrauen. Diese Trauer rührte den Theseus, und er
erbot sich freiwillig, an der Fahrt teilzunehmen, den Minotaurns zu töten
und die Athener von dem furchtbaren Tribute zu befreien. Vergeblich
versuchte Ägeus den Sohn zurückzuhalten; als das Schiff mit den Opfern
des Minotaurns absegeln wollte, ließ er sich vom Steuermann versprechen,
das schwarze Segel des Schiffes mit einem weißen zu vertauschen, wenn
die kühne Tat gelingen sollte; dann nahm er traurig Abschied von dem
geliebten Sohne.
In Kreta fand Theseus Hilfe bei Ariadne, der Tochter des Minos.
Mit einem geweihten Schwerte, das er von ihr erhalten hatte, tötete er
den Minotaurns in einem furchtbaren Zweikampfe. Dann fand er glück-
lich den Ausgang aus dem Labyrinthe mit Hilfe eines langen Fadens,
den er nach dem Rate der Ariadne an der Tür des Labyrinthes befestigt