Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen

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15. Kolumbus. 
verpfänbete ihren Schmuck und rüstete bann für ben Genuesen brei kleine 
Schiffe aus. Nie ist ebelmütiges Vertrauen reicher belohnt worben. 
3. Am 3. August 1492 segelte Kolumbus ab. Schon bei ben Azoren 
mußte er eins seiner Schiffe ausbessern. Von ba aus steuerte er in bie 
Wasserwüste hinaus, bie vor ihm fein Seefahrer burchkreuzt hatte; er 
selbst war entschlossen, eher seiner Überzeugung bas Leben zu opfern als 
umzukehren, seine Mannschaft bagegen zaghaft unb zweifelnb, ob man 
nicht bem sicheren Verberben entgegengehe. Wochenlang zeigte sich kein 
Laub, man sanb im Atlantischen Dzean eine Stelle, wo so viel Seetang 
sich gesammelt hatte, baß bie Fahrt ber Schiffe gehemmt wnrbe. War 
bies bas gefürchtete Lebermeer? Aber man brang hinburch. Doch 
jenseits wieber kein Sanb! Die Stimmung ber Seelente wnrbe ver- 
zweifeltet:, unb brohenb verlangten sie bie Umkehr. Aber Kolumbus blieb 
sest, bie günstigen Zeichen mehrten sich, man fischte Beeren, einen Stab 
mit Schnitzerei aus bem Wasser. Der Abmiral selbst wachte bie Nacht 
hinburch, bas Auge nach Westen gerichtet; ba um 2 Uhr nachts am 
12. Oktober erscholl ber Ruf: Sanb! Die Spanier stießen auf eine 
kleine Insel (ibahamägruppe); bereu rotbraune Bewohner, mit benen man 
sich nur burch Zeichen verstänbigen konnte, nannten sich in einer sremb- 
artigen Sprache „Guanahäni". Kolumbus nahm bas Eilanb am nächsten 
Tage feierlich für feine Königin Jsabella in Besitz unb gab ihm ben Namen 
San Salvabor (heiliger Erlöser). Er glaubte Jnbien erreicht zu haben; 
beshalb bürgerten sich bie Ausbrücke „Jnbianer" unb „Westinbien" ein. 
Zu ihrer Freube fonben bie Spanier Golb bei ben Eingeborenen; btefe 
wiesen, als sie bie Gier ber Weißen nach biesem Metall beobachteten, 
nach ©üben als bem Funborte hin. So fuhr Kolumbus weiter unb 
entbecfte bie großen Jnfeln Kuba unb Haiti (Antillen). Dann mußte er 
aber wegen bes Zustanbes seiner Schiffe an bie Rückkehr benken. Unter 
vielen Fährlichkeiten kam er nach Europa zurück, mit ungeheuerm Jubel 
begrüßt; benn man ahnte, baß eine wichtige Entbeckung gemacht fei. Unb 
diese Meinung bestätigten bie weiteren Fahrten bes Kolumbus. Er fand 
noch bas Festlanb an ber Münbung bes Orinoko. — Aber ben ver¬ 
dienten Dank erntete er nicht. Zwar hielt bie Königin Jsabella treu zu 
ihm, boch ihr Gemahl, ber König Ferbinanb von Aragonien, ein arg¬ 
wöhnischer Fürst, hörte auf bie Verleumber bes großen, aber auch hab¬ 
süchtigen Mannes unb entsetzte ihn trotz aller Versprechungen seines 
Amtes. Er würbe sogar nach bem Tobe Jsabellas (1504) gefesselt nach 
Spanien gebracht. Zwar mußte Kolumbus von allen Beschulbigungen 
freigesprochen werben, boch konnte er bie tiefe Kränkung, bie ihm wiber- 
fahren war, nicht verwiuben. Als er 1506 starb, befahl er bie Ketten,
	        
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