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Dem Ablaßhandel wurde damit gesteuert und eine Verbesserung der
Kirche (Reformation) dadurch eingeleitet; die Kirchensürsten waren aber
so erbittert über den Mönch, der es wagte, ihre Einnahmen zu schmälern,
daß Luther, nachdem Versuche, ihn zum Widerruf seiner Behauptungen
zu bewegen, vergeblich gewesen waren, wegen falscher Lehren vom Papste
in den Bann getan und aus der Kirche ausgestoßen wurde. So hatte
ihn vorher in Augsburg der Kardinal Cajetan vor sich gefordert. Dem
aber wurde unheimlich von Luthers tiefsinnigen Augen, und auf eine
Widerlegung durch Bibelsprüche konnte sich der hohe Herr nicht einlassen,
weil er selbst mit diesen nicht recht Bescheid wußte.
Luther hatte immer gehofft, wenn der Papst nur erführe, wie schlecht
viele von den Geistlichen lebten, dann würde er sie bestrafen, und hatte ihm
deshalb ein Buch zugeschickt, worin er von allen Mißständen der Kirche
erzählte. Als er aber dafür gebannt wurde, verbrannte er unter der
Zustimmung vieler Studenten die Bannbulle des Papftes. Am liebsten
hätten ihn dafür die Anhänger des Papstes selbst verbrannt. Aber sein
Landesfürst, der Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, schützte den
mutigen Bekenner seiner Überzeugung. Doch der (1519) zum deutschen
Kaiser gewählte König Karl von Spanien stellte sich auf die Seite des
Papstes und berief Luther nach Worms zu einem Verhör vor Kaiser und
Reich. Alle Freunde rieten von der Reise ab; aber Luther, der nichts
nach Himmel und Erde fragte, erklärte, da er seines gnädigen Gottes
gewiß geworden war, er werde nach Worms gehen, wenn so viele Teufel
drin wären wie Ziegel auf den Dächern. Mit den Worten „Gott wird
mit mir fein!" schritt er durch das Stadttor von Worms. Wo er sich
blicken ließ, drängte sich die Menge, um den größten Mann Deutschlands
zu sehen. Frohen Mutes trat er vor die glänzende Versammlung der
Fürsten, die unter des Kaisers Vorsitz seiner harrten. Aber da überkam
ihn plötzlich Befangenheit. Die natürliche Ehrfurcht, die der Bauern-
söhn und einfache Mönch vor den Großen dieser Erde empfand, machte
ihn verwirrt. So antwortete er nur mit leiser Stimme, als er gefragt
wurde, ob er seine Lehren widerrufen wolle. Er bat um 24 Stunden
Bedenkzeit. Im Gebet fand er seine Zuversicht wieder, und am folgenden
Tage wies er trotz aller drohenden Gefahren standhaft die Zumutung
zurück, aus Menschenfurcht seine Überzeugung zu verleugnen. „Nicht
glaube ich", sagte er, „dem Papst und den Konzilien, die oftmals geirrt
haben; nur durch die Zeugniffe der Schrift oder durch helle Gründe kann
ich überwunden werden. Widerrufen kann ich nichts und will ich nichts,
dieweil wider das Gewissen zu handeln unsicher und gefährlich ist. Hier
stehe ich; ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen." Die Antwort