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war nicht zu finden. Milon legte sich einmal in der Mittagshitze müde
zur Ruhe, während sein Sohn Wache hielt.
Bald verriet ein wunderbares Leuchten, welches die Tiere des Waldes
aufscheuchte, daß der Riese mit seinem Kleinod sich nähere. Da überlegte
Roland, ob er den Vater wecken oder mit dessen Waffen und aus dessen
Pferde dem Gewaltigen entgegentreten sollte. Aus kindlicher Liebe entschloß
er sich zum Kampfe und ritt unverzagt aus den Riesen los. Hei, wie lachte
der Unbändige, als er diesen Zwerg zum Kampfe gerüstet sah! Er spottete:
„das Schwert wäre wohl zweimal so lang wie der ganze Held, und der
schwere Speer dürfte den Kleinen vom Rosse herabziehen." Doch Roland
zeigte ihm bald, daß ein kurzer Arm und ein langes Schwert ebenso gut
zusammenpasse, wie das große Roß zum kleinen Ritter. Gewandt bog er
aus, als der Riese nach ihm schlug; freilich warf er dann die Lanze ver¬
geblich nach ihm; denn das Kleinod im Schilde schützte seinen Träger, so-
lange er es festhielt. Aber Roland wußte Rat: mit beiden Händen ergriff
er das Schwert des Vaters, ritt dicht an den Riesen heran und schlug die
linke Hand, an der jener den Schild trug, von unten aus ab. Darüber
entschwand dem Riesen die Kraft und der Mut; zwar wollte er mit der
Rechten sein Kleinod wieder aufraffen, doch Roland stach ihn schnell ins
Knie, so daß er zusammenstürzte. Run konnte ihm der Sieger das Haupt
abschlagen, und das Kleinod war sein. Um den Vater zu überraschen, ver-
barg er es im Gewände.
Nachdem er alle Spuren des Kampfes abgewaschen hatte, überwältigte
auch ihn die Müdigkeit. — Da Gefahr nicht mehr zu fürchten war, schlief
er an der Seite des Vaters ein. Schon dämmerte der Abend, als Milon
erwachte. Erschrocken darüber, so viel Zeit verloren zu haben, weckte er
hastig den Sohn und suchte eifrig das Versäumte nachzuholen. Bald kam
er an die Stätte des Kampfes, wo mittlerweile die anderen Helden gewesen
waren und sich Beutestücke mit leichter Mühe angeeignet hatten.
Für Milon war es schmerzlich, daß er zu spät gekommen war, und
traurig ritt er heim. Aber als man zum Schlosse kam, wo der König seine
Helden erwartete, holte Roland aus seinem Wams das Kleinod hervor und
setzte es in den Schild des Vaters ein. Milon war nicht wenig erstaunt,
als Karl ihm „Heil" zurief und ihn ob der Erlegung des Riesen beglück-
wünschte. Verwundert schaute er sich um und stellte den Sohn zur Rede.
Ganz demütig bat der Kleine ihn um Verzeihung: er habe den Vater nicht
im Schlafe stören wollen, sondern in aller Eile den Riesen selbst getötet. —
3. Roland stirbt als Held. Was der Knabe versprochen hatte,