Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen für den Geschichtsunterricht auf der Mittelstufe höherer Mädchenschulen

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Gemahlin am Krankenbette des Kindes allein lassen. Als nach wenigen 
Tagen der Tod dem zarten Leben ein Ende machte, versagte es ihm sein 
Pflichtgefühl, in die Heimat und zu seiner trauernden Familie zurückzueilen. 
3. Mit großer Bescheidenheit führte er sich als Oberfeldherr ein; den 
ergrauten Generälen, die unter ihm standen, sprach er seine Empfindungen 
offen aus: „Es ist eigentlich wunderbar, daß ich junger Mann Sie in dem 
Feldzuge kommandieren soll, die Sie so viel mehr Erfahrung haben als 
ich." Aber bald zeigte sich, daß seine Beliebtheit bei den Soldaten, seine 
Kaltblütigkeit im Augenblicke der Gefahr und sein Verständnis für die 
Kriegführung ihn zu Großthaten befähigten. Ihm zu Liebe ertrugen die 
Truppen, mit denen er alles Ungemach teilte, willig die größten Anstren- 
gungen. Wenn er, allen bekannt, eine hohe, ritterliche Erscheinung, das 
Auge voll Wohlwollen und Teilnahme, häufig ein launiges Wort auf den 
Lippen, unter ihnen erschien, jubelten sie ihm zu; vergessen waren Müdig- 
keit und Entbehrungen, selbst die Todesgefahr; unter den Augen des Kron¬ 
prinzen gab es nur eine Möglichkeit: voll und ganz seine Schuldigkeit 
zu thun. 
So glückte es ihm, zu dem entscheidenden Siege von Königgrätz 
(3. Juli 1866) wesentlich beizutragen; trotz großer Entfernung brachte er 
sein Heer zur rechten Zeit an den Feind. 
4. Ruhmgekrönt kehrte er aus dem Feldzuge zurück; aber liebgewonnen 
hatte er die rauhe Kriegsarbeit nicht. Höher stellte er die Aufgabe, die 
neugewonnenen Provinzen (Schleswig-Holstein, Hannover, Hessen-Nassau) 
mit ihrem Schicksal auszusöhnen und auch in Süddeutschland den Haß gegen 
Preußen zu überwinden. Mit feiner aufrichtigen und wahren Liebe für 
alle Deutschen, mochten sie diesem oder jenem Stamme angehören, gewann 
er ihre Herzen; bald begrüßte man ihn auch dort mit der vertraulichen 
Bezeichnung: „Unser Fritz". 
Sein gewinnendes Wesen trug nicht wenig dazu bei, daß im Kriege 
von 1870 alle deutschen Stämme mit einmütiger Begeisterung in den Krieg 
gegen die Franzosen zogen. Derselbe Prinz, der es für die heiligste Pflicht 
erklärt hatte, den Krieg, wenn irgend möglich, zu vermeiden, den unver- 
meidlichen Krieg aber mit Fassung zu erwarten und ihn nicht zu scheuen, 
wenn er aufgezwungen würde, mußte sich fast wider seinen Willen neue, 
unverwelkliche Lorbeeren erkämpfen. 
5. Er war es hauptsächlich, der den Sieg von Sedan ermöglichte. 
Aber auch hier linderte er die Leiden, so viel er konnte, und schonte selbst 
die Gefühle des Feindes gern.
	        
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