Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen für den Geschichtsunterricht auf der Mittelstufe höherer Mädchenschulen

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ungebrochener Stimme die Worte: „Euch alle, Ihr Lebenden, frage ich: 
verdiene ich den Tod, weil ich mein Recht verteidigt habe? Und verdient 
die Treue den Tod, daß alle, die zu mir standen, ihn erleiden sollen?" — 
Das Schicksal seines Freundes, den er in seinen Untergang hineinzog, 
schmerzte ihn tief. Seine letzten Worte aber waren: „O Mutter, welches 
Herzeleid bereite ich Dir!" — Dann fiel sein Haupt; laut auf schrie vor 
Schmerz bei diesem Anblick Friedrich von Baden. Dann wurde auch er 
enthauptet, ein hehres Beispiel deutscher Freundestreue. 
4. Der grausame Karl von Anjou erfreute sich seiner Frevelthat nicht 
lange. Auf der Insel Sizilien machten sich seine Franzosen ganz besonders 
verhaßt. Da brach ein gewaltiger Volksaufstand los (die sizilianische 
Vesper), bei dem alle auf der Insel befindlichen Franzosen ermordet 
wurden. Man schüttelte die französische Herrschaft gänzlich ab. Von 
Kummer und Gewissensbissen verfolgt, sank Karl in das Grab. 
5. Wie der letzte männliche Staufer ein trauriges Geschick hatte, so auch 
die letzte Frau. Margarethe war mit einem Landgrafen von Thüringen ver¬ 
mählt worden. Dieser behandelte sie so unwürdig, daß sie schließlich für ihr 
Leben fürchten mußte. Sie entschloß sich zu fliehen und, wenn auch schweren 
Herzens, ihre beiden Söhne zu verlassen. Im Übermaß des Abschiedsschmerzes 
soll sie ihren Sohn Friedrich in die Wange gebissen haben. Sie sah ihre 
Kinder nicht wieder. In Dürftigkeit und von den Ihrigen vergessen starb sie 
in Frankfurt a. M., wohin sie sich geflüchtet hatte. 
11. Hwdolf von Kabsöurg (1273—91). 
1. Mit dem Tode Konrads IV., des letzten regierenden Fürsten aus 
dem Hause der Staufer, geriet Deutschland in eine arge Zeit der Ver- 
wirrung. Man wählte zu Herrfchern fremde Fürsten, die nur nach dem 
Glänze der Krone trachteten, ohne die Bürde der Regierung tragen zu 
wollen. Da that denn jeder, was ihm beliebte; die Starken und Mächtigen 
befehdeten die Schwachen und Friedlichen; es herrschte das Faustrecht, weil 
kein Richter da war, Frevelthaten zu bestrafen. Dieser Zustand (Zwischen- 
reich oder Interregnum genannt) dauerte beinahe 20 Jahre. Schwer litten 
darunter besonders die Geistlichen, welche nicht Gewalt mit Gewalt ver- 
gelten sollten. 
? 2. Da rief der Erzbischof von Mainz die zur Wahl berechtigten Fürsten 
zusammen und schlug ihnen vor, den Grasen Rudolf von Habsburg zum 
Könige zuzküren (wählen). Es war ein kluger Vorschlag. Hätte er einem 
mächtigen Herzoge die Krone verschaffen wollen, fo würden sich die anderen
	        
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