Full text: Deutsche Lebensbilder und Sagen für den Geschichtsunterricht auf der Mittelstufe höherer Mädchenschulen

— 37 — 
Großen gesträubt haben zuzustimmen, aus Furcht, daß der neue König mit 
starker Hand ihnen die Vorrechte bestreiten würde, die sie sich allgemach 
angeeignet hatten. Das schien bei dem schlichten Grafen von Habsburg, 
der nur kleine Besitzungen um seine Stammburg in der Schweiz hatte, 
ausgeschlossen. 
Aber wenn er auch durch seine Hausmacht nicht einflußreich werden 
konnte, so bürgte doch seine Tapferkeit und Gottesfurcht dafür, daß er dem 
Unrecht und den Gewaltthaten steuern und der Gerechtigkeit wieder zu An- 
sehen verhelfen werde. Diese Eigenschaften kannte der Erzbifchof aus eigener 
Erfahrung. 
Er hatte einst nach Rom zum Papste ziehen müssen und gefürchtet, 
er werde auf dem Wege über die Alpen ausgeplündert werden. Da hatte 
ihn Graf Rudolf, der am Fuße des Gebirges (bei Zürich) die Habsburg 
besaß, mit großer Umsicht ungefährdet hinüber geleitet und ebenso tapfer 
auf dem Rückwege geschirmt. 
In der Umgebung des Erzbischoss war ein Priester, der einen schönen 
Zug von der Gottesfurcht Rudolfs zu erzählen wußte. Er war einmal in 
früheren Jahren, als er in der Schweiz Seelsorger war, zu einem Sterben- 
den gerufen worden, um ihm das heilige Abendmahl zu reichen; da war er 
an einen reißenden Wildbach gekommen, der alle Brücken und Stege weg- 
gerissen hatte; eben hatte er sich angeschickt, die Schuhe abzulegen, um das 
Wasser zu durchwaten, als der Graf Rudolf herangesprengt kam, der mit 
seinem Knappen auf die Jagd geritten war. Als er die Absicht des Priesters 
erfuhr, setzte er ihn sogleich auf sein eigenes Roß, damit jener gewissenhaft 
seine Pflicht erfüllen könnte. Das Pferd aber, das die geweihte Hostie, 
den Leib des Herrn, getragen habe, nahm er, als der Priester es am folgen- 
den Morgen zurückbrachte, nicht wieder an, sondern bestimmte, daß es fortan 
der Kirche gehören solle. 
Freilich scheute Rudolf, wenn es die Verteidigung seiner Rechte galt, 
auch den Kampf mit der Geistlichkeit nicht; er lag eben gegen den Bischof 
von Basel zu Felde, als sein Schwager, der Burggraf von Nürnberg 
Friedrich III. (aus dem Hause Hohenzollern) ihm die Kunde brachte, daß 
er zum deutschen Könige gewählt sei. Dazu hatte außer dem Erzbischof 
wesentlich der Burggraf beigetragen; er hatte die weltlichen Wahlfürsten, 
deren mehrere noch unvermählt waren, auf die Möglichkeit hingewiesen, 
eine der sechs Töchter Rudolfs heimzuführen und dadurch in enge ver- 
wandtfchaftliche Verbindung mit dem neuen Könige zu treten. 
3. Rudolf nahm die auf ihn gefallene Wahl an und zeigte seine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.