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Hanseatische Lebensbilder und Sagen.
Bald sah sich Ansgar von all den Seinen verlassen; er kniete am
Altar seines Kirchleins und erwartete mit inbrünstigem Gebete die mörde-
rischen Feinde, die mit furchtbarem Kriegsgeheul durch die brennenden
Straßen zogen. Schon wüteten die Flammen mit lautem Geprassel in
den stillen Wohnungen und schlugen in heller Lohe auf, da eilte sein
treuer Benno mit mehreren Knechten herbei, und sie führten den Greis
nicht ohne Mühe an das Ufer der Elbe. Hier trugen sie ihn in ein Boot,
und mit schnellen Ruderschlägen eilten sie nach dem jenseitigen Strande.
Als aber Ansgar mitten auf dem Strome schwamm und seine
Augen nach der geliebten Hammaburg zurückwandte, weinte er bitterlich;
denn das wüste Geschrei der Heiden zerriß sein Ohr, und er sah den
Brand, der nicht nur die friedlichen Wohnungen der Bürger verzehrte;
auch sein Kirchlein und seine Schule standen in hellen Flammen.
So betrat er nun das Ufer und entließ seine Diener; denn er wollte
nicht, daß ihn jemand in sein Elend begleiten sollte. Mühsam watete
er durch den Sand und labte sich mit einem Stückchen Brot, das er der
Mildherzigkeit eines Landmannes zu danken hatte.
^ies gebeugt saß er am Wege und sah in die untergehende Sonne;
da rollte ein leichtes Wägelchen heran, worauf eine ernste Frau in welt-
licher Tracht faß. Sie sah den Greis am Wege sitzen, und als sie erfuhr,
wer er war, und wie er dorthin gekommen war, ließ sie ihn aufsitzen
und nach ihrem Gute Ramelsloh fahren, während sie selber demütig
nebenherging. Denn sie pries sich glücklich, daß sie durch Gottes Fügung
dem frommen Ansgar helfen und ihm eine Stätte bereiten konnte.
Da kam Botschaft von dem dänischen Könige Erich dem Roten.
Der ließ den frommen Ansgar zu sich entbieten und trug ihm die Sorge
für die christlichen Kirchen auf, die er in seinem Reiche neu gründen
wollte; denn allmählich hatten König und Volk das Christentum ange-
nommen. Frohen Mutes nahm Ansgar den Wanderstab und achtete nicht
der Gefahren und Mühen des Weges; denn er sollte als Streiter des
höchsten Gottes gegen Unglauben und Heidentum in die Schranken treten.
Aber nach einiger Zeit segensreichen Wirkens sehnte er sich zurück
nach feinen Hamburgern, um ein neues Kirchlein herzurichten und die
zerstreuten Glieder seiner Gemeinde wieder zu sammeln. Darum nahm
er Abschied von dem dänischen Könige und begab sich nach Hamburg
zurück. Hier begann er nun von neuem sein gottgefälliges Werk. Von
allen Seiten strömten die vertriebenen Hamburger herbei zu ihrem frommen
Bischof, und bald stiegen Kirche und Kloster aus den Ruinen herrlicher
emt30r" Nach H. Smidt, Hamburger Bilder.