Full text: Griechische und römische Sagen und Erzählungen, Deutsche Sagen, Lebensbilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte (Teil 1)

10. Siegfried und Kriemhild. 
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Da fordert das Königspaar Rüdiger auf, sie an den Bnrgunden zu rächen. 
Nicht den Kampf scheut der Held. Aber soll er die Waffe erheben gegen 
die, welche er vor kurzem in seinem Hause bewirtet, von denen einer 
seiner Tochter lieb geworden ist? Tut er es aber nicht, dann bricht er 
seinem Herrn die Treue. Aus Mannentreue beging einst Hagen den 
Mord an Siegfried, aus Mannentreue kündigt Rüdiger den Burgunden 
die Freundschaft, und Giselher nimmt Abschied von seiner Liebe und dem 
Leben, um als König den Seinen getreu bis an den Tod zu bleiben. 
Für Rüdiger ist der Tod im Kampfe die Erlösung aus schwerer Seelen- 
not; er fällt von Gernots Hand. Rüdigers Leichnam zu holen, rücken 
die am Hofe Etzels weilenden Gotenhelden unter Hildebrands Führung 
an. In wütendem Kampfe fallen alle bis auf Gunter und Hagen. Die 
Nachricht, daß seine Mannen erschlagen, bringt der verwundete Hilde- 
brand seinem Herrn, dem Gotenkönig Dietrich; erst ihm gelingt es, die 
noch übrig gebliebenen Helden Hagen und Gunter zu binden und vor 
Kriemhild zn führen. Er empfiehlt der Königin, das Leben der Helden 
zu schonen, und geht in trübem Ernst von dannen. 
Kriemhild aber will Rache. Hagen soll ihr den Nibelungenhort 
zurückgeben, wenn er am Leben bleiben wolle. Doch dieser erklärt, so- 
lange einer seiner Herren lebe, gehöre diesem der Schatz. Da läßt die 
entmenschte Schwester ihrem Bruder Gunter das Haupt abschlagen und 
trägt es zu Hagen. Und Hagen? 
„Nun ist es ja zum Ende, wie du gewollt, gebracht; 
Nun ist es so ergangen, wie ich mir selbst gedacht; 
Nun ist von Burgunden der edle König tot, 
Wie Giselher der junge und auch Gernot. 
Den Schatz weiß nun niemand, als Gott und ich allein: 
Dir aber, grimmes Weib, soll ewig er verhohlen sein." 
Da tötet Kriemhild mit dem Schwerte Siegfrieds mit eigener Hand dessen 
Mörder. 
Entsetzt über die teuflische Grausamkeit trifft der alte Hildebrand, 
der das Wort seines Herrn so verachtet sieht, die Frevlerin selbst mit 
seinem Schwerte: mit einem gräßlichen Schrei sinkt Kriemhild neben 
ihrem Todfeinde Hagen nieder. 
„Mit Leid war beendet des Königs hohes Fest: 
Wie stets die Freude Leiden zum allerletzten gibt."
	        
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