64 in. Lebensbilder aus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.
seine Gegnerin den Verlust nicht verschmerzen; sie bezeichnete Schlesien als
die kostbarste Perle in ihrer Krone, und jedesmal, wenn sie einen ihrer
ehemaligen Untertanen erblickte, traten ihr Tränen in die Augen. Dabei
sehnten sich aber in Schlesien wenige nach den alten Zuständen zurück.
Denn besonders für die evangelischen Schlesier war der Sieg der
Preußen ein großer Segen. Die katholischen Habsburger hatten die Evan-
gelischen hart bedrückt, viele hatte man mit Gewalt katholisch gemacht, ihre
Kirchen waren ihnen genommen, ihre Geistlichen vertrieben worden.
Unter Friedrichs Herrschaft konnten sie sich wieder Kirchen bauen
und frei ihren Gottesdienst halten.
Was Wunder, daß sie bald treu dem König anhingen, dem sie dieses
Glück verdankten. Alle Bewohner Schlesiens aber empfanden bald den
Segen der einsichtigen Regierung des Königs. Der Wohlstand des Landes
hob sich. Gleiches Recht galt für hoch und niedrig, arm und reich. Über
zehn Jahre beherrschte Friedrich in Ruhe Schlesien. Da kam der große
Bund gegen ihn zustande. Mit Frankreich, Rußland, Sachsen-Polen,
Schweden und dem Deutschen Reiche verbündete sich Maria Theresia,
um Preußen zu vernichten. Sobald Friedrich von dem Bündnis sichere
Kunde erhielt, griff er die Feinde an (1756).
Zuerst eroberte Friedrich der Große — so nannte ihn damals schon
sein Volk und bald alle Welt — Sachsen, dann drang er nach Böhmen
ein. Bei Prag kam es im Frühjahr 1757 zu einer großen Schlacht.
Reihenweise sanken die tapferen Preußen dahin; da ergriff der greise
Schwerin die Fahne. „Heran, meine Kinder!" rief er, und von vielen
Kugeln durchbohrt sank er tot zu Boden. Der Sieg aber gehörte den
Preußen. Zu teuer fast schien er dem König erkauft, der allein in
Schwerin eine Armee verloren hatte. Bald darauf erlitt Friedrich seine
erste Niederlage bei Kolin. Nach der Schlacht saß der König auf einer
Brunnenröhre tief denkend, heftete unverwandt seine Blicke auf den Boden
und zirkelte mit dem Stocke Figuren in den Sand. Da kam ein Kürassier
zu dem ermatteten Könige heran, brachte ihm in seinem Hute Wasser zur
Erquickung und sprach ihm Trost zu. Aber dieses Jahr sollte nicht zu Ende
gehen, ohne den preußischen Waffen neuen Ruhm zu bringen. Als
Bundesgenossen der Kaiserin waren die Franzosen und eine Armee von
Reichssoldaten bis nach Sachsen vorgedrungen. Bei Roßbach trafen sich
am 5. November die Heere. Sehr siegesgewiß benahmen sich die Fran-
zosen, war ihr Heer doch fast dreimal so stark wie das Friedrichs.
Nur die eine Sorge hatten sie: der König könne ihnen entwischen. Aber
es kam anders. Wie ein Sturmwind kam der tapfere Seydlitz mit seinen