Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte
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denn von diesem Tage an lebten die Brüder in Eintracht und Liebe mit-
einander, und es war so, als ob sie zusammen das Reich regierten.
)ahre vergingen, und noch einmal brach innerhalb der königlichen
Zamilie ein Zwist aus, der die Einheit des Reiches schwer bedrohte und
über Deutschland ernste Gefahren brachte. Ottos eigener Sohn Ludolf
glaubte sich vom Dater zurückgesetzt, verband sich mit seinem Schwager
Kottrad und erhob gegen seinen königlichen Dater die Waffen. Nie hat
©tto einen Schmerz bitterer empfunden wie damals, als er sich von den
eigenen Söhnen verraten sah. Doch bald überwältigte er die Aufrührer,
reumütig warfen sich ihm die Söhne zu §üßen und fanden Derzethung.
Diesen traurigen Bürgerkrieg benutzten die Ungarn, um ihre früheren Raub-
züge wieder aufzunehmen. Sie fielen in Bayern ein; bis zum Schwarz- ^L«ch.
' wald schwärmten ihre Reiterscharen, während die Hauptmasse des Heeres
sich in der Ebene am Lech in der Umgegend von Augsburg lagerte. Nichts,
meinten sie, würde sie aufhalten können, wenn nicht der Himmel ein-
stürzte oder die Erde sie verschlänge. So ungeheuer sei ihre Zahl, prahlten
sie, daß ihre Rosse die Zlüsse und Seen Deutschlands austrinken und mit
ihren Hufen die Städte und Dörfer zerstampfen würden. Mit bewunderungs¬
würdigem ZTTut verteidigten sich die Einwohner Augsburgs unter ihrem
tapferen Bischof, bis Otto selbst mit seinem Heere zur Stelle mar und mit
acht Schlachthaufen in die Reihen der Ungarn einbrach. Dor dem König
flatterte das Banner des heiligen Michael, und wo das wehte, hatte der
Steg noch nie gefehlt; auch wo die Franken einHieben, stoben die Ungarn
in wilder $lucht auseinander, flm Abend des blutigen Tages fehlte
mancher wackere ZUann in den Reihen der Deutschen, aber keiner wurde
von Otto mehr beweint als sein Schwiegerson Konrad, der als das teuerste
Opfer des ruhmreichen Kampfes gefallen war. Mit Löwenmut hatte er
gekämpft, und als er erschöpft von der Hitze des Kampfes und der (Blut
der Augustsonne den Helm lüftete, um aufzuatmen, traf ihn der feind¬
liche Pfeil. So war sein Ivunsch erfüllt: für König und Datericnö mar et
den Heldentod gestorben und hatte die schmere Schuld mit dem höchsten
preise gesühnt.
Mit unaussprechlichem Jubel begrüßte das ganze Abendland den ©ttos
glänzenden Sieg über die Ungarn, und kein anderer Erfolg Ottos hat ftimg
mehr dazu beigetragen, ihm den U)eg zum Kaiferthron zu bahnen. Denn
als der Papst in Bedrängnis kam, roandte er sich an Otto als den mächtigsten
Herrscher der Ehristenheit. Dieser folgte dem Rufe des Papstes, befreite
ihn von feinen Feinden und empfing aus feiner Hand die Kaiserkrone.
So strahlte jetzt die Krone des großen Karl auf dem Haupt eines Sachsen.
Schott die Zeitgenossen erkannten die gemaltige Bedeutung dieses Er¬
eignisses und gaben Otto den Beinamen des Großen. Und nicht seinen
glänzenden Taten allein, auch seiner Person galt die Bemunderung. Der
erste Blick ließ in ihm den geborenen Herrscher erkennen. Groß und blond-