Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte 
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Das mar ein (Eingriff in Luthers Seelsorge. Nachdem er wiederholt im 
Beichtstuhl und auf der Ranze! vor solchem Mißbrauch des Ablasses ge¬ 
warnt hatte, entschloß er sich, öffentlich dagegen aufzutreten. Das 
geschah, als Luther am Tage vor dem §este Allerheiligen 
die 95 Thesen über den Ablaß an die Tür der IDittenberger Schloßkirche 
schlug. (Er forderte damit auf, in eine (Erörterung für und wider den 
Ablaß einzutreten, und wandte sich vornehmlich an die (Belehrten, denn 
die Thesen waren lateinisch abgefaßt. Trotzdem wirkten sie weit über 
den Kreis der Professoren und Studenten hinaus und erregten nicht nur 
in Deutschland, sondern in der ganzen Christenheit ungeheures Aufsehen. 
freudigen Beifall erweckte Luthers Tat bei denen* die an dem unwürdigen Br^mmit 
Ablaßhandel Anstoß genommen hatten und nun hofften, er würde auch 
andere Mißstände der Kirche beseitigen. Don anderen wurde Luthers 
Auftreten heftig bekämpft. Zu den eifrigsten Gegnern gehörte der Pro¬ 
fessor der Theologie zu Ingolstadt, Dr. Eck, der es durchsetzte, daß der 
Papst eine Bannbulle erließ, die eine Anzahl von Luthers Schriften als 
ketzerisch verdammte, diesen selbst aber mit dem Banne bedrohte, wenn 
er nicht widerriefe. Dadurch fühlte sich Luther zu einem kühnen Schritt 
veranlaßt. (Er zog mit Professoren und Studenten hinaus vor das (Elstertor 
in Wittenberg und verbrannte die Bannbulle des Papstes. Damit war 
der Bruch mit Roltt vollzogen. Der Papst forderte den Kaiser Karl V. 
auf, der Derhängung der Bannbulle die Reichsacht folgen zu lassen,- aber 
der Kaiser wollte, da Luther in Deutschland großen Anhang hatte, diesen 
nicht ungehört verdammen und lud ihn deshalb unter Zusicherung freien 
Geleites zu einem Reichstag nach Worms, auf dem neben weltlichen An¬ 
gelegenheiten auch die kirchlichen geordnet werden sollten. 
Als Luther die kaiserliche Dorladung erhalten hatte, brach er sofort mit^^jjj 
drei Zreunden, geleitet vom Reichsherold, nach Worms auf. Überall auf tag zu 
der Reise wurde dem unerschrockenen TRanne, der es gewagt hatte, dem Papste oxm 
zutrotzen, ein herzlicher (Empfang bereitet, und allenIDarnungen, nachWorms 
zu gehen, setzteLutber hochgemut die Worte entgegen: „Und wenn so viel Teufel 
waren zu Worms als Ziegel auf den Dächern, so wollte ich doch hinein." 
Unter gewaltigem Andrang des Dolkes langte er in Worms an. In der Dor- 
halle des Sitzungssaales, in dem der Reichstag tagte, klopfte ihm der tapfere 
Heldhauptmann Georg von Zrundsberg auf die Schulter und sagte: ,Mönch¬ 
lein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang, dergleichen ich und mancher 
Oberster auch in der allererstesten Schlachtordnung nicht getan haben. Bist 
du aber auf rechter Meinung und deiner Sache gewiß, so fahre in Gottes 
Hamen fort und sei getrost; Gott wird dich nicht verlassen!" Luther trat 
in den Saal ein und stand einer glänzenden Dersammlung gegenüber, deren 
Anblick ihn befangen machte. Als er gefragt wurde, ob er widerrufen wolle, 
bat er sich Bedenkzeit bis zum andern Tag aus, denn es gelte Gottes 
Wort und der Seele Seligkeit. Am folgenden Tage aber erklärte er fest: 
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