22 Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte
„Ich will nicht widerrufen, es sei denn, daß man mich mit Zeugnissen
der heiligen Schrift oder mit klaren Gründen überführt, daß ich geirrt
habe, hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen!"
St flIs Luther und die meisten seiner Anhänger Worms verlassen hatten,
Wartburg spm(h der Kaiser die Reichsacht über ihn aus. Eber er erhielt 21 Tage freies
Geleit zur heimreise. Alsdann sollte niemand, weder Fürst noch Untertan,
den Geächteten Hausen, atzen, tränken, noch ihm Anhang, Beistand oder
Vorschub leisten, und wo man seiner habhaft würde, sollte man ihn wohl-
bewahrt an Kaiserliche Majestät abliefern. So war Luther, der sich be-
reits auf dem Heimwege befand, seines Lebens nicht mehr sicher. Da
ließ ihn sein Landesherr, Kurfürst Friedrich, der an Luthers mutigem Auf¬
treten in Worms feine helle Freude gehabt hatte, in der Gegend von
Eisenach im Walde von verkappten Reitern aufheben und auf die Wart¬
burg in Sicherheit bringen, hier lebte Luther fast ein 3ahr verborgen
unter dem Namen eines Junkers Jörg und übersetzte die Bibel in die deutsche
Sprache. Seine Lehre verbreitete sich inzwischen durch ganz Deutschland.
Aber dadurch wurde auch die Feindschaft zwischen den Anhängern Luthers,
die man später Protestanten nannte, und den Katholiken, den Anhängern
der alten Kirche, immer heftiger, so daß es schließlich zu einem Glaubens¬
kriege zwischen beiden Parteien kam. Erst nach jahrelangen Kämpfen einigte
man sich in einem Frieden, der den Protestanten dieselben Rechte wie den
Katholiken zugestand. Den Ausbruch dieses Krieges hat Luther nicht mehr
erlebt, wenige Wochen vorher hatte ihn der Tod dem Jammer eines
Bürgerkrieges um feiner Lehre willen entrückt. In die Gruft, die ihm in der
wittenberger Schloßkirche bereitet wurde, rief ihm fein Freund ZTtelanchthon
die Worte nach: „Dahin ist der Lenker und wagen Israels!"
ÄSs § Friedrich Wilhelm, der Große Kurfiirft. Noch einmal brach in
Jugend Deutschland um des Glaubens willen ein Bruderkrieg aus, der 30 Jahre
währte und Deutschland furchtbar verwüstete. In dieser trostlosen Zeit
wurde der Mann geboren, der später der Gründer des brandenburgisch-
preußischen Staates geworden ist. Friedrich Wilhelm, der Große Kur-
fürst, wuchs als Knabe nicht am Berliner Hofe auf, sondern wurde von
seiner vortrefflichen Mutter Elisabeth von der Pfalz in der Waldeseinsamkeit
des Letzlittger Jagdschlosses in der Altmark erzogen und später vor den
Kriegsstürmen, die das Land bedrohten, nach Küstritt in Sicherheit ge¬
bracht. Einen tiefen Eindruck machte auf den jugendlichen Prinzen die erste
Begegnung mit feinem ©heim Gustav Adolf. Der große Schweden-
könig hatte feine Freude an dem frischen und munteren Wesen des Knaben
und brach in die Worte aus: „Dort diesem jungen Prinzen wird die Welt
noch einmal zu reden bekommen." Bald darauf stand der Kurprinz an
der Bahre des großen Toten, als man die Leiche von Wolgast auf ein
schwedisches Schiff brachte, um sie nach Stockholm überzuführen.