Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte 
43 
letzte Mal getroffen und verwundet. Es war ein herzzerreißender Anblick, 
als der greife Herrscher, bleich und blutend in den wagen zurückgelehnt, 
durch die vor Schreck erstarrte Volksmenge nach Hause zurückkehrte. ZTtit 
zahllosen Wunden bedeckt, lag er wochenlang auf seinem Schmerzens- 
lager, von dem peinigenden Bewußtsein gedrückt, daß er am übend seines 
Lebens das ernten mußte für alles, was er für Preußen und Deutschland 
getan, und daß preußische Landeskinder solche Tat vollbracht hatten. 
Doch diese bittere Erfahrung hinderte ihn nicht, auch ferner für das 
Wohl der Seinen zu sorgen. Im Gegenteil. Jetzt setzte eine große Gesetz-5^»^ 
gebung ein, die der Hot und dem Elend des Hrbeiterstcmdes abzuhelfen vo$&e5 
suchte. Durch den mächtigen Aufstieg der Industrie war die Lage der 
Arbeiter vielfach ungünstig geworden. Krankheit oder Alter konnten jeder¬ 
zeit die Entlassung herbeiführen, wer sorgte dann für den Bedrängten? 
Der Lohn reichte oft nicht hin, die notwendigsten Bedürfnisse zu beschaffen. 
Die Arbeitszeit war lang und viele Betriebe gesundheitsschädlich. Kinder 
und Stauen wurden im Übermaß beschäftigt. Das waren Zustände, die 
einer Besserung dringend bedurften. So erging denn an den Reichstag 
die Botschaft: „wir halten es für Unsere kaiserliche Pflicht, dem Reichstag 
diese Aufgabe von neuem ans herz zu legen, und würden mit um so 
größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Sott Unsere Regierung 
sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das 
Bewußtsein mitzunehmen, dem vaterlande neue und dauernde Bürg¬ 
schaften seines inneren Briedens und den hilfsbedürftigen größere Sicher¬ 
heit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu 
hinterlassen." Die kaiserliche Botschaft veranlaßte eine ganze Reihe von 
Gesetzen. Zuerst kam die Krankenversicherung zustande. $ür 
Arbeitgeber und Arbeiter, die zu den Kosten der Versicherung je die Hälfte 
beitragen, besteht ein Versicherungszwang. Dafür leisten die Kranken¬ 
kassen im Krankheitsfalle bis zu einem halben Zahr freie ärztliche Behandlung, 
Arzenei und Krankenunterstützung. Ein Jahr darauf folgte das Gesetz 
über die Unfallversicherung. Zu den Kosten dieser Versicherung, 
die bei tödlichen Unfällen eine Geldunterstützung an die Hinterbliebenen, 
sonst Verpflegung, Heilungskosten und für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit 
Entschädigung gewährt, steuert nur der Arbeitgeber bei. 
So ward Kaiser Wilhelm der beliebteste aller hohenzollernscher Herrscher. 
wärmer und inniger von Jahr zu Jahr schloß sich das Volk seinem Kaiser an, End- 
dem es noch vergönnt war, unter herzlicher Anteilnahme des Volkes seinen 
neunzigsten Geburtstag zu feiern. Da brach ein bitteres Schicksal übet 
ihn und sein Haus herein, das in ganz Deutschland tief empfunden wurde. 
Der Kronprinz $riedrich Wilhelm, der Sieger von Königgrätz und Wörth, 
erkrankte an einem Kehlkopfleiden, dem dieser herrliche ITTann in der 
Sülle seiner männlichen Kraft erliegen sollte, weder Schottland noch Tirol, 
noch die italienische Küste brachten ihm Heilung, das Übel ging weiter
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.