Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte
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der sonst üblichen Prinzenerziehung durchbrochen. Zern von den Zer-
streuungen des Hoflebens, sollte der Prinz eine vollständige Gymnasial-
bildung erhalten; jeder Rangunterschied sollte dadurch vermischt werden,
daß der Sproß aus altem herrscherhause mit schüchtert Bürgersöhnen auf
derselben Schulbank saß. Kurz vor Vollendung seines achtzehnten Lebens¬
jahres bestand der Prinz die Reifeprüfung. Bevor er aber die Universität
bezog, um die Staats- und Rechtsrvissenchsaften zu studieren, riefen ihn
militärische Pflichten nach Potsdam, fln seinem Geburtstage wurde er
für mündig erklärt, hierbei bestimmte der Kaiser ausdrücklich, daß der
Prinz fortan den Hamen „Wilhelm" führen sollte. Bald darauf wurde
der Prinz als Leutnant dem ersten Garderegiment eingereiht. ZTtit schlichten
Worten wies Kaiser Wilhelm den Enkel auf die Hufgaben hin, die seiner
harrten: „Nun gehe und tue deine Schuldigkeit, wie sie dir gelehrt werden
wird. Gott sei mit dir!" Der Prinz war mit Leib und Seele Soldat und
wurde bald ein schneidiger Reiteroffizier, dem sein ©heim Prinz Friedrich
Karl, der als ein strenger vorgesetzter bekannt war, die Anerkennung
nicht versagen konnte. „Das hast du gut gemacht," sagte dieser, als Prinz
Wilhelm ihm später einmal das Gardehusarenregiment in seiner Eigen¬
schaft als Oberst vorführte.
Mitten in die militärische Vorbereitungszeit des Prinzen fiel der Be¬
such der Universität Bonn. Zwei Jahre gehörte Prinz Wilhelm der
rheinischen Hochschule als Student an und nahm teil an dem fröhlichen
studentischen Treiben. Nach Beendigung der Studien, die ihn auf seinen
hohen Beruf vorbereiteten, widmete er sich ganz dem Militär- und Der-
waltungsdienst. Er übernahm als Hauptmann die Sührung einer Kompanie
des ersten (Barderegiments und lernte gleichzeitig bei der Potsdamer
Regierung die Verwaltung des preußischen Staates kennen. In diese Zeit
fällt die Verlobung des Prinzen Wilhelm mit der Prinzessin Huguste Viktoria
von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Kugustenburg. 3m Zebruar 1881 fand
die Vermählung im Schlosse zu Berlin statt, und die Bewohner der 1866 ein¬
verleibten Herzogtümer sangen beglückt in ihrer niederdeutschen ITTundart:
Un kümmt enmal de Tied heran, Dann ward dat merumslungneLand
Dann kannst du wat erleben, De Kaiserin uns geben.
flm Vorabend der Hochzeit war die Hauptstadt festlich beleuchtet, im
Glanz der Kerzen konnte man sinnige Gedichte wie das folgende lesen:
„Als sich der Kaiser einst vermählte, Prinz Wilhelm dachte nun bei sich:
hat er flugusta uns beschert; Was beide taten, tu auch ich!
Der Kronprinz, Sieger in der Er wählte schnell, und siehe da:
Schlacht, Auguste und Viktoria!"
hat uns Viktoria heimgebracht.
3n Potsdam wurde dem jungen Paare am 6. ITtai 1882 der älteste
Sohn, Kronprinz Friedrich Wilhelm, geboren. Bei der Nachricht von der