46 Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte
Geburt des Urenkels rief Kaifer Wilhelm freudig bewegten Herzens „Hurra!
Dier Könige". Ihm mar das Glück zuteil geroorden, feine Nachfolger bis
ins dritte Geschlecht zu sehen.
flIs Kaifer Wilhelm I. die Rügen für immer schloß und Kaifer Friedrich
bcfieigung nach der leidvollen Regierung der 99 Tage ins Grab sank, bestieg Wilhelm II.
am 15. Iuni 1888 den Thron seiner Väter. Noch an demselben Tage
wandte sich der Kaifer in zwei Erlaffen an das Heer und an die Aotte.
Bald darauf eröffnete er, von den deutschen Surften umgeben, den Reichs¬
tag und sprach zu den Vertretern des Volkes folgende Worte: Meine
Liebe zum deutschen Heere und meine Stellung zu demselben werden mich
niemals in Versuchung führen, dem Lande die wohltaten des Friedens
zu verkümmern, wenn der Krieg nicht eine durch den Angriff auf das
Reich oder -dessen Verbündete uns aufgedrungene Notwendigkeit ist.
Unfer Heer soll uns den Frieden sichern und, wenn er uns dennoch ge¬
brochen wird, imstande fein, ihn mit Ehren zu erkämpfen. Das wird es
mit Gottes Hilfe vermögen nach der Stärke, die es durch das letzte wehr-
gefetz erhalten hat. Diese Stärke zu Angriffskriegen zu benutzen, liegt
meinem herzen fern. Deutschland bedarf weder neuen Kriegsruhms noch
irgendwelcher Eroberungen, nachdem es sich die Berechtigung, als einige
und unabhängige Nation zu bestehen, erkämpft hat."
b£K«E6 Uoch bevor das Iahr zu Ende ging, schied der 88 jährige ITC o 11 f e
<£ntia||ung aus dem Dienst, nachdem er 30 Jahre an der Spitze des Generalstabes
gestanden und die glänzendsten Siege errungen hatte, die jemals die
Kämpfe eines Heeres krönten. „Ew. Majestät," fo schrieb Moltke an den
Kaifer, „bin ich anzuzeigen verpflichtet, daß ich bei meinem hohen Alter
nicht mehr ein Pferd zu besteigen vermag. Ew. Majestät gebrauchen jüngere
Kräfte und ist mit einem nicht mehr felddienstfähigen Ehef des General-
stabs nicht mehr gedient." Er bäte den Kaifer, ihm zu gestatten, „den
kurzen Heft" feiner Tage in der Zurückgezogenheit feines Landfitzes zu
verbringen. Der Kaifer konnte sich den Gründen IHoltfes nicht verschließen
und gewährte die gewünschte Entlassung, aber mit tiefem Kummer fah
er den General von der Stelle scheiden, auf der er feinen Namen obenan
auf die Ruhmestafeln des preußischen Heeres geschrieben und ihn zu
einem hochgefeierten in der ganzen Welt gemacht habe. Aber die Macht
der Zeit fei stärker als die der Menschen, und ihr müsse auch Moltke sich
beugen, der fönst überall den Sieg in der Hand gehabt habe. Auch der
andere getreue Helfer Kaifer Wilhelms I., $ürft Bismarck, trat kurze
Zeit darauf von feinen Ämtern zurück. Kaiser Wilhelm trennte sich von
dem Ratgeber feines Großvaters, weil die Anschauungen eines 31 jährigen
Mannes mit denen eines 75 jährigen Greifes schlechterdings nicht überein¬
stimmten.
Dbcr Siotir Keben der unausgesetzten $ürforge für das Landheer lag dem Kaifer
der Ausbau der Flotte am meisten am herzen. „Der Dreizack des Neptun