Otto: Der Große Kurfürst besiegt die Schweden. 79
Weile und in Saus und Braus sich belustige. Darum rückte er aus
Rathenow zu. Am 25. Juni bei frühem Morgengrauen war es erreicht;
die schwedische Besatzung war völlig ahnungslos. Der alte Feld-
marschall Derfflinger.— 69 Jahre zählte er — ließ es sich nicht
nehmen, den ersten Angriff persönlich zu leiten. Vom dichten Nebel
verborgen, trabte er mit seinen Dragonern getrost in die Nähe der
Brücken, die über zwei Arme des Flusses in die Stadt führten. Er hatte
einen vor wenigen Stunden gefangenen Schweden bei sich, den er zwang,
ihm die Parole (das Losungswort) zu verraten.
Mit nur wenigen Begleitern ritt er dann zur ersten Brücke.
Hier brauchte Derfflinger eine inzwischen ersonnene glückliche Kriegslist.
Er rief der Wache das Losungswort zu und forderte in schwedischer
Sprache Einlaß, weil er ein flüchtiger schwedischer Ofsizier sei, der mit
seinen Genossen von den Brandenburgern verfolgt werde. Kaum war nach
einigen Einwendungen die Zugbrücke niedergelassen, so sprengten seine
Reiter darüber hinweg und gebrauchten alsbald ihre Säbel mit voller
Kraft. Dann ging's über die getöteten Wächter dahin nach der zweiten
Brücke. Von allen Seiten brachen nun Derfflingers Truppen hervor,
Reiter und Fußvolk drangen in die Stadt. Ein heftiges Gefecht ent¬
spann sich, denn die Schweden wehrten sich tapfer. Erst nach mehr¬
stündigem hartnäckigem Straßenkampf war der Sieg errungen und die
Stadt von den Kurfürstlichen genommen.
Blutrot schien die Morgensonne durch den feuchten, über die ganze
Gegend sich lagernden Nebel, als der Erfolg des gelungenen Überfalles
sich völlig übersehen ließ. Das schwedische Regiment war gänzlich auf¬
gerieben, seine Pferde, seine Fahnen, sein Gepäck in die Hände des Kur¬
fürsten gefallen. Die, welche mit dem Leben davongekommen waren,
flüchteten auf schmalen Wegen Fehrbellin zu, und da neben den Dämmen
sumpsige Niederungen sich hinzogen, so war es den Brandenburgern
nicht möglich, sie zu überholen. Daher konnte der Kurfürst den Feind
nicht verhindern sich bei Fehrbellin zu sammeln.
d) Schlacht bei Fehrbellin.
Als die Schweden aus Rathenow verjagt waren, verfolgte sie der
tapfere Reitergeneral Prinz von Hessen-Homburg, der trotz seines
Stelzfußes stramm und fest zu Pferd saß, mit seinen anderthalbtausend
Reitern so ungestüm, daß er sich plötzlich in einen schweren Kampf mit
der ganzen feindlichen Macht verwickelt sah, die aus viertausend Reitern,
siebentausend Mann Fußvolk und achtunddreißig Geschützen bestand.
Der Kurfürst, welchen der Prinz dringend um Hilfe bitten ließ,
war zwar nicht vorbereitet, so ohne weiteres eine Schlacht zu liefern,
aber ebensowenig wollte er seinen kampflustigen General im Stiche lassen.
Er gab daher am 28. Juni 1675 den Befehl zur Schlacht, welche nun