Full text: Erzählungen für den ersten Geschichtsunterricht

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Konradins Hinrichtung. — Karl von Anjon berief jetzt Rechts- 
gelehrte aus allen Teilen des Reiches nach Neapel, die über Konradin 
das Urteil sprechen sollten. Aber alle sprachen ihn frei, weil er für sein 
gutes Recht gestritten habe. Nur einer sprach Karl zu Gefallen das 
Schuldig über ihn aus. Karl aber folgte der Stimme des einen und 
verurteilte Konradin zum Tode. Dieser hörte die Nachricht mit Fassung. 
Er benützte die kurze Zeit, die ihm noch blieb, um sein Testament zu 
machen und sich auf den Tod vorzubereiten. Dann bestieg er mit Er- 
gebung das Blutgerüst, das man dicht vor der Stadt am herrlichen 
Golf von Neapel aufgeschlagen hatte. Vergebens versuchte er, nicht für 
sich, sondern für seinen Freund Friedrich von Baden Gnade zu er- 
langen. Karl von Anjon blieb hart. Dann kniete er nieder und neigte 
das Haupt zum Todesstreiche. Seine letzten Worte waren: „Mutter, welche 
Schmerzen bereite ich dir!" Dann fiel sein Haupt von Henkershand. 
Friedrich schrie bei diesem Anblicke laut auf vor Schmerz. Auch er wurde 
hingerichtet. Konradins Mutter errichtete über dem Grabe ihres Unglück- 
lichen Sohnes eine Kapelle. 
31. Ludolf von Halisburg. 1273—1291. 
Die kaiserlose Zeit. — Nach dem Tode Friedrich Barbarossas 
und seiner Nachfolger kam für Deutschland eine schlimme Zeit. Kein 
deutscher Fürst wollte die Kaiserkrone mehr haben, und die Ausländer, 
denen man sie übertrug, kümmerten sich nicht um das Reich. Fern in 
Italien fand Konradin, der letzte Hohenstanfe, ohne Schutz und Hülfe, 
einen schimpflichen Tod durch Henkershand (1268). Im Reiche selbst aber 
herrschte Unordnung und Gesetzlosigkeit. Aus den Rittern waren Räuber 
geworden. Sie lauerten den friedlichen Kaufleuten auf, raubten ihnen 
Ware und Geld und schleppten sie selbst als Gefangene mit auf ihre 
Burgen. Aber keine Obrigkeit war da, die Schwachen zu schützen. Diese 
Zeit nennt man die Zeit der Raubritter, des Faustrechts, oder auch das 
Zwischenreich. 
Rudolf und der Priester. Endlich beschlossen die deutschen 
Fürsten, wieder einen Kaiser zn wählen, der im Reiche Ordnung schaffe. 
Ihre Wahl fiel auf den Grafen Rudolf von Habsburg, der von der 
Habichtsburg in der Schweiz stammte und auch im Elsaß begütert war. 
Das war ein gottesfürchtiger Herr. Einst begegnete er auf der Jagd einem 
Priester, der einem Sterbenden die heiligen Sakramente bringen wollte. 
Der Priester schickte sich gerade an, einen angeschwollenen Bach zu durch- 
waten, dessen Brücke weggerissen worden war. Da stieg Rudolf von feinem 
Pferde und gab es dem Priester, damit er leichter und schneller seine
	        
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