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nahm Rudolf das Kruzifix vom Altare und sprach: „Das Kreuz wird
woh die Stelle eines Zepters vertreten können." Und alle leisteten
den Eid. Nur der mächtige und stolze Ottokar von Böhmen, der
selbst den Königstitel führte, weigerte sich, den armen Grafen als Kaiser
anzuerkennen. Nach vergeblichen Versöhnungsversuchen zog Rudolf mit
Heeresmacht gegen ihn. Es kam zur Schlacht auf dem Marchfelde, in
der der Hohenzoller Friedrich, Burggraf von Nürnberg, die Sturmfahne
t lrug und durch seine Tapferkeit den Sieg
für Rudolf entschied. Ottokar selbst fand
den Tod in der Schlacht.
Rudolf und die Raubritter. —
Die übrige Zeit seiner Regierung benutzte
Rudolf dazu, Ruhe und Ordnung im Lande
herzustellen, indem er gegen die Raubritter
zu Felde zog und ihre Burgen brach. In
Thüringen zerstörte er 66 und in Schwaben
und Franken 70 solcher Raubnester. Die
gefangenen Räuber aber ließ er ohne Rück-
ficht auf ihren Stand aufhängen. Denn er
sagte: „Ich kann keinen Menschen für adelig
halten, welcher die Armen beraubt und die
Rudolfs Leutseligkeit. Sein Tod.
— Im Verkehr mit seinen Untergebenen war
Rudolf ein sehr leutseliger Herr. Jeder,
ohne Unterschied des Standes, hatte freien
Zutritt zu ihm. Als die Wache einst einen
gemeinen Mann abweisen wollte, sagte
Rudolf: „Bin ich denn zum König gewählt,
daß man mich hier einsperre?" An der
Abb. 22. ®t«f R»d°ls „on Spitz- feiner hungernden Soldaten begnügte
Habsburg. er slch mit einer Rübe. Einen Trunk Wasser,
den man ihm brachte, wies er zurück, weil
er für einen zu viel und für alle zu wenig sei. Meistens trug er einen
einfachen, grauen Soldatenrock. So gekleidet kam er einst aus dem Lager
in die Stadt Mainz. Er trat in das offene Haus eines Bäckers, um sich zu
wärmen. Die Frau, die ihn nicht kannte, schalt auf ihn und alle Soldaten
des Königs, und als Rudolf nur lächelte, goß sie ihm einen Kübel Wasser
über. Der König blieb gelassen und ging triefend in das Lager zurück.
Am Mittag aber schickte er der Frau durch einen Diener einen Korb mit