Full text: Erzählungen für den ersten Geschichtsunterricht

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gewählt. Die andern gaben ihre Stimmen dem Herzog Ludwig von 
Bayern. Weil keiner von ihnen freiwillig auf die Krone verzichten 
wollte, kam es zum Kriege zwischen den beiden Gegenkönigen. Leopold, 
die Blume der Ritterschaft genannt, war ein treuer Bundesgenosse seines 
Bruders Friedrich. Aber in der entscheidenden Schlacht bei Mühldorf 
(1322) war er mit seinen Truppen noch nicht angekommen. Friedrich 
nahm trotzdem die Herausforderung Ludwigs vou Bayern an. Lange 
schwankte der Sieg vom einen zum andern. Plötzlich erschien im Rücken 
der Österreicher eine neue Reiterschar. Alle meinten, es wäre Leopold mit 
den Seinigen. Allein es war der Burggraf Friedrich von Nürnberg, ein 
Hohenzoller, der treue Bundesgenosse Ludwigs von Bayern. Jetzt war 
die Schlacht verloren, und Friedrich mußte sich nach tapferer Gegenwehr 
dem Burggrafen von Nürnberg gefangen geben. Er wurde von Ludwig 
auf die feste Bnrg Transnitz gebracht. 
Aber während Friedrich gefangen saß, setzte Leopold den Krieg für 
ihn fort. Ludwig geriet dadurch so sehr in Bedrängnis, daß er den 
Frieden suchte. Er begab sich deshalb nach Transnitz zu seinem Gefan- 
gelten, ber durch eine dreijährige Kerkerhaft ganz trübsinnig geworden 
war. Er hatte keinen- anbern Wunsch, als zu seiner treuen Gemahlin 
Elisabeth zurückzukehren, bie sich aus Gram um ihn blinb geweint 
hatte. Gern verzichtete er auf dett Thron und versprach auch, seinen 
Bruder Leopold zu bewegen, den Krieg aufzugeben. Gegen dieses Ber* 
sprechen wurde er freigelassen. Aber als er nach Hause kam, fand er, 
daß sein Bruder Leopold von solchem Hasse gegen Ludwig erfüllt war, 
daß es ihm unmöglich war, sein Versprechen zu erfüllen. Deshalb kehrte 
er, treu dem gegebenen Worte, zu Ludwig in die Gefangenschaft zurück. 
Dieser war über solchen Edelmut und solche Treue tief gerührt. Er 
erinnerte sich an ihre Jugendfreundschaft, drückte ihn ans Herz und nannte 
ihn Bruder. Von nun an wohnten, aßen und schliefen sie zusammen. Sie 
teilten sich in die Regierung des Reiches, und wenn einer abwesend war, 
besorgte der andere die Geschäfte. So lebten und herrschten sie als 
Brüder zusammen, bis Friedrich schon im Jahre 1330 starb. Ludwig 
aber regierte noch siebenzehn Jahre lang. 
34. Die Städte. 
Entstehung. — In den ältesten Zeiten wohnten die Deutschen 
nicht zusammen in Städten, sondern einzeln auf Gehöften. Dort war 
jeder auf sich selbst angewiesen, und es gab noch keine Handwerker. Jeder 
war sein eigener Bäcker und Fleischer, sein eigener Schuhmacher und 
Schneider, sein eigener Schmied und Zimmermann. Selbst Karl der Große
	        
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