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b. Sinnesart.
1. Geburtstagsfeier in Paretz. Gewöhnlich feierte er als König seinen
Geburtstag in Paretz, wo seine Eltern ehemals so gern geweilt hatten. Die
Bauern und Tagelöhner im Dorfe freuten sich schon das ganze Jahr auf diesen
Tag. Alle zwei Jahre wurden dann sämtliche Schulkinder von Kopf bis zu Fuß
neu eingekleidet. Das war jedesmal ein großer Jubeltag im Dorfe. Alt und
jung war auf den Beinen. An den niedrigen Fenstern des einfachen Herrenhauses
standen Männer, Frauen uud Kinder in dichter Menge und schauten mit freude¬
strahlenden Blicken in den Saal, wo das königliche Paar mit seinen Gästen an
der Tafel saß. In der Regel trat dann der König heraus und reichte den armen
Tagelöhnerjungen mit freundlichem Scherze ein Glas Wein; die Königin Elisabeth
aber verteilte Kuchen an die kleinen Mädchen, und heller Jubel lohnte diese könig¬
liche Leutseligkeit.
2. Frömmigkeit. Friedrich Wilhelm war ein frommer Mann. Sein Wahl¬
spruch war: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen!" Mehr als
300 Kirchen sind im Lande durch ihn erbaut worden. Auch das Krankenhaus „Betha¬
nien" in Berlin verdankt ihm seine Entstehung.
Einst machte der König eine Reise durch sein Land. In einem Dorfe
empfingen ihn die Lehrer und Schulkinder mit Gesang, und ein kleines Mädchen
sagte ihm ein Gedicht her. Der König freute sich sehr darüber, zeigte dem Kinde
eine Apfelsine und fragte: „Wohin gehört das?" „In das Pflanzenreich,"
erwiderte schüchtern das Mädchen. „Wohin das?" fragte der König weiter
und zeigte auf ein Goldstück. „Ins Mineralreich," gab das Mädchen zur Ant¬
wort. „Aber wohin gehöre ich denn, mein Kind?" fragte der König zum drittenmal.
Das Mädchen blickte den König freundlich an und sagte: „Ins Himmelreich."
Da glänzte eine Thräne im Auge des Königs, und er hob das Kind zu sich in
die Höhe und küßte es.
c. Ausbau des Kötner Domes.
Besonders zeichnete sich der König auch durch großen Kunstsinn aus. Davon
zeugt n. a. der Ausbau des Kölner Domes, der von ihm aufs eifrigste gefördert
wurde. Bereits 1248 hatte man den Bau dieses Riesenwerks begonnen. Etwa drei
Jahrhunderte wurde daran gearbeitet. Dann aber stellte man den Bau ein, ehe
er zur Hälfte vollendet war. Dreihundert Jahre ruhten nun Hammer und Meißel.
Erst auf Anregung Friedrich Wilhelms IV. nahm man den Bau wieder auf.
Es bildete sich ein Dombauverein, der durch Beiträge das nötige Geld herbei¬
schaffte. Der König steuerte jährlich 150000 Mark dazu bei. 1842 legte er
den Grundstein zum Weiterbau. Die Vollendung des Domes hat er aber nicht
mehr erlebt. Erst 1880 wurde der Dom fertig und dann in Gegenwart Kaiser
Wilhelms I. feierlich eingeweiht.
ä. Der Aufstand von 1848.
Das Jahr 1847 hatte Mißernten, Kartoffelkrankheit und andres Unglück
gebracht. In Schlesien brach der Hungertyphus aus, und in Berlin entstanden
„Brottumulte" und „Kartoffelaufstände". An all diesem Unglück sollte der König
schuld sein. Die Aufregung wuchs von Tag zu Tag. Aus den Vorstädten
Berlins strömte allerlei Gesindel zusammen, und in Kellern und Wirtshäusern
wurde von ehrlosen Wühlern zum Kampfe gereizt. Es kam sogar zum offenen