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Zu gleicher Zeit mit Neuschwanstein baute der König das
Schloß Linderhof, das von reizenden Gartenanlagen mit herr¬
lichen Springbrunnen umgeben ist.
Aber der König wollte noch Größeres schaffen. In Frank-
reich hatte vor 200 Jahren ein stolzer König, Ludwig XIV., ge¬
lebt, von dem das vielbewunderte Schloß Versailles bei Paris
gebaut wurde. Ihn suchte Ludwig II. zu übertreffen, indem er
auf einer Insel im Chiemsee das Schloß Herrenchiemsee
schuf. Mehrmals begab sich der König selbst nach Paris um das
Vorbild genau zu studieren; denn er selbst bestimmte aufs ge¬
naueste, wie alles eingerichtet werden sollte.
Dieses Schloß vollendete er jedoch nicht; denn es stellte sich
heraus, daß er an einer unheilbaren Geisteskrankheit litt. Deshalb
mußte für ihn eine Regentschaft (Prinzregent Luitpold) eingesetzt
werden. Dies ging jedoch dem unglücklichen König so zu Herzen,
daß er bei Schloß Berg den Tod im Starnberger See suchte
(1886). — Jetzt noch kommen viele Tausende von Fremden nach
Bayern um die wundervollen Königsschlösser zu besuchen.
Zwei bedeutsame Kriege waren in die Regiernngszeit Lud-
wigs II. gefallen. Im Jahre 1866 brach zwischen Preußen
und Österreich ein Krieg aus, in welchem Bayern zu Öster¬
reich stand. Letzteres wurde in der Schlacht bei Königgrätz be¬
siegt. Bayern unterlag in den Gefechten bei Kissingeu, Hammel¬
burg und Helmstedt*); von Sachsen kam eine preußische Abteilung
und rückte über Bayreuth nach Nürnberg vor. Bayern mußte
einen kleinen Teil lluterfrankens abtreten und 30 Millionen Gulden
Kriegskosten zahlen; es schloß aber mit Preußen ein Schutz- und
Trutzbündnis.
Trotz des unglücklichen Ausgangs des Krieges hegte König
Ludwig II. feinen Groll gegen den Sieger. Dies zeigte sich, als
die Franzosen 1870 an Preußen den Krieg erklärten. „Mit
Begeisterung werden meine Truppen an der Seite ihrer ruhm-
gekrönten Waffeugenossen für deutsches Recht und deutsche Ehre
den Kampf aufnehmen," telegraphierte Ludwig an König Wil¬
helm. Das ba-yerische Heer erfüllte auch treulich, was sein König
versprochen hatte. Unter der Leitung des preußischen Kronprinzen
Friedrich und der bayerischen Generale Hartmann und von der
Tann kämpfte es tapfer bei Weißenburg, Wörth, Bazeilles
(Sedan), Orleans und Paris.
Da die deutschen Stämme in diesem Kriege erfahren hatten,
wie mächtig sie sind, wenn sie treu zusammenhalten, wollten sie
auch für immer in einem großen Reich vereinigt sein. König Lud¬
wig war es, der im Namen der deutschen Fürsten dem siegreichen
y Siehe Seite 38 I