Contents: Für die untern und mittlern Klassen (Theil 1, [Schülerband])

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die beiden Ajax gar nicht daran, den Hektar zu tobten; wiederum aus Furcht 
für ihr eignes Leben, denn die riesige Gestalt des Gewaltigen schreckte sie gar zu 
sehr. Sie faßten dafür nur den Leichnam beim Kopf und bei den Schultern, um 
ihn dem Verfolger aus den Händen zu reißen. Drei Mal gelang es ihnen, dock 
drei Mal griff jener aufs Neue an, und er hätte denselben endlich doch vielleicht 
ihnen entrissen, nahe schon am Graben des achäischen Lagers, wenn nicht ein eilen¬ 
der Bote es rasch dem Achilles angesagt hätte: 
„Zu Hülfe! zu Hülfe! Achill! Sie reißen sich um Patroklus, und bald wird 
ihn Hektar errungen haben, denn er drohet ihm den Kopf abzuhauen und auf einen 
Pfahl zu spießen, den Rumpf aber den troischen Hunden zur Speise zu geben. 
Dein ist die Schmach, wenn des Freundes Leiche geraubt und geschändet wird." 
„O, ihr Götter!" rief Achill: „Was kann ich thun, wehrlos wie ich bin? Er 
selbst, der Entsetzliche, trägt ja meine Waffen." 
„Ach. wenn du nur am Graben stündest, daß sie deine Gestalt sähen, deine 
Stimme hörten! — es ist ja finster, — in der Angst bemerken sie's nicht und fliehen 
schon vor deinem Drohen. Komm doch nur eilig heraus!" 
Er kam, unbedeckt und wehrlos wie er war, und stellte sich an den Graben. 
Und mit einer Stimme, wie wenn schwer und nahe der Donner durch Felsengebirge 
rollt, brüllte er seine fürchterlich drohenden Worte hinüber, daß Troer und Achäer 
ein Entsetzen ankam und Hektor, starr vor Schrecken, den Leichnam fahren ließ und 
schnell mit den Seinen zurückfloh, denn er glaubte, der Fürchterliche sei ihm schon 
aus der Ferse. 
So brachten die beiden Helden den Leichnam glücklich ins Lager und legten 
ihn auf weiche Decken. Achill, der ihnen entgegengekommen war, betrachtete ihn lange 
sprachlos mit gesenktem Haupte und starr zusammengeschlosienen Händen, und häu¬ 
fige Thränen stürzten ihm aus den Augen. Wie entstellt lag der Todte da! Wer 
hätte den freudigen Helden noch wiedererkannt, der vor wenigen Stunden voll hohen 
Muthes auszog in die Schlacht und so viele tapfere Feinde erlegte? Hoch auf 
dröhnendem Wagen und prangend in stattlicher Rüstung hatte er Abschied genom¬ 
men; der Rüstung beraubt, mit zerrissenem Eingeweide und besudelt von blutigem 
Staube sah der Freund ihn wieder. 
Die Troer hielten jetzt mitten auf dem Felde einen Rath, ob man die Nacht 
in der Stadt oder wieder auf dem Felde zubringen wolle. Jenes rieth Polydamas, 
denn ihm war bange vor Achills Morgengruße; auf dem Letztern aber bestand Hek¬ 
tor, denn er hielt es für unrühmlich, dem Feinde auch nur den kleinsten Anlaß zu 
dem Glauben zu geben, als fürchte man sich vor ihm. „Mag es denn sein," schloß 
er seine Rede, „daß Achilles morgen wieder im Felde erscheint, nun, dann hat er 
sich selbst das Schlimmere erkoren. Ich wahrlich werde vor ihm nicht siiehen; ich 
brenne vor Begierde ihm entgegenzutreten, und Zeus wird entscheiden, ob mich oder 
ihn der Siegesruhm verherrlichen soll. Ares ist ein wankelmüthiger Gott, der oft 
auch den ärgsten Würger mordet." 
Ihm jauchzten die Troer zu und brachten auch diese Nacht, wie die vorige, 
auf dem Felde gelagert zu. Jünglinge holten Opferthiere sammt Brot und Wein 
aus der Stadt, zündeten Feuer an und bereiteten das Nachtmahl. Auch die Achäer 
in ihrem Lager labten sich mit erquickenver Speise und legten sich dann zur Ruhe.
	        
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