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Müßiggange hingegeben habt und meinen Befehlen ungehorsam gewesen seid,
trotzet nur nicht auf Stand und Reichtum eurer Eltern; denn wisset, Nichts¬
würdige haben bei mir weder Rang noch Ehre. Und werdet ihr nicht
fleißige Schüler, so soll keiner von euch wieder vor meine Augen kommen.
Beim Könige des Himmels, ich werde euch strafen, wie ihr es verdient!"
Mit ganzer Seele hing er am Christentum. Deshalb sorgte er sehr
für gute Geistliche und untersagte ihnen alles, was sich mit der Würde
ihres Berufes nicht vertrug. Bistümer, Kirchen und Klöster wurden ge-
gründet und reichlich begabt. Die Klöster insbesondere förderten innerhalb
ihrer stillen Mauern nicht nur den Unterricht der Jugend, sondern sorgten
auch für Arme und Kranke und nahmen Reisende gastfreundlich auf. Die
Kirchen selbst wurden mit schönen Bildern herrlich geschmückt, weil durch
die Darstellungen aus dem Leben Jesu und der Heiligen das Andenken an
diese beim Volke lebendig erhalten wurde. Zur Verherrlichung des Gottes-
dienstes ließ Karl Sänger und Orgelspieler aus Italien kommen, denn
seine Franken hatten eine gar rauhe Stimme, so daß ihr Gesang fast dem
Gebrülle wilder Tiere oder dem Geräusche eines Lastwagens, der über
einen Knüppeldamm fährt, ähnlich war. wie ein Zeitgenosse Karls sagt.
Seine deutsche Muttersprache liebte Karl ganz besonders. Er arbeitete
selbst mit den Gelehrten seines Hofes an einer deutschen Grammatik und
veranstaltete eine Sammlung alter deutscher Heldenlieder, die aber durch
den blinden, gegen alles Heidnische gerichteten Eifer seines Sohnes und
Nachfolgers, Ludwig des Frommen, wieder vernichtet wurde. Den Winden
und Monaten gab Karl deutsche Namen, die uns erhalten sind. Da er in
seiner Jugend nur einen mangelhaften Unterricht erhalten hatte, so suchte
er, obgleich er durch Kriege und Regierungsgeschäfte überaus in An-
spruch genommen war, mit Hülfe der an seinem Hofe lebenden Gelehrten
das früher Versäumte nachzuholen. Und er brachte es so weit, daß er das
Lateinische geläufig sprechen, im Griechischen aber die Schriftsteller leicht
verstehen konnte. Selbst das Schreiben lernte er noch in späteren Jahren,
aber nur schwer konnte die nur des Schwertes gewohnte Hand sich der
Führung des Griffels bequemen. Mit den Gelehrten und anderen ausgezeich-
neten Männern, die an seinem Hofe weilten, hatte Karl eine wissenschaftliche
Gesellschaft gebildet. In den Versammlungen hörte jeder Rang auf, und
Karl verleugnete hier den König oder Kaiser vollständig. Um die sonstigen
Rang- und Standesunterschiede für die Sitzungen ganz zu beseitigen, legte
sich jeder den Namen eines hervorragenden Mannes der Vergangenheit bei,
der seiner geistigen Begabung angemessen schien. So nannte Karl sich
David, Alkuin Flaccus, Angilbert Homer u. s. w.
Ganz besondere Sorgfalt verwandte Karl auf die Rechtspflege. Über
die Gaue, in die das Land geteilt war, setzte er je einen Grafen,
welcher die Verwaltung dieses Bezirkes und besonders die Rechtsprechung
Neuhaus, Kleine Lebensbilder. 8