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Er brach also mit seinem Heere auf und kam nach einiger Zeit an
den Jndusstrom, den er überschritt. Die meisten indischen Fürsten kamen
ihm huldigend mit Geschenken entgegen, und er konnte ungehindert bis zum
Flusse Hydaspes vordringen. Hier aber stieß er aus bedeutenden Widerstand,
denn am jenseitigen Ufer hatte sich der berühmteste und mächtigste aller in¬
dischen Könige, Porus mit Namen, mit einem sehr großen Heere aufgestellt
und wehrte Alexander den Übergang. Aber in einer schauerlichen Nacht,
während es donnerte und blitzte und der Regen in Strömen vom Himmel
fiel, setzte der kühne Held über den Fluß, griff das Heer des Porus an
und schlug es in die Flucht. Porus selbst kämpfte wie ein Löwe und war
der letzte auf dem Schlachtfelde. Von Wunden und Durst ermattet, ergab
er sich. Man führte ihn zu Alexander. Dieser ging ihm entgegen, ver¬
wunderte sich über seine Größe, seine Schönheit und sein edles Benehmen
uud fragte ihn: „Wie willst Du behandelt sein?" „Wie ein König" erwiderte
Porus. „Verlangst Du sonst nichts von mir?" fragte Alexander weiter.
„Sonst nichts," war die Antwort; „jenes begreift alles in sich!" Sein Ver-
langen ward ihm vollständig gewährt. Er bekam nicht nur sein ganzes
Königreich wieder, sondern auch noch neue Besitzungen hinzu. Auf dem
Schlachtfelde ließ Alexander eine Stadt bauen, die den Namen Nikaia er-
hielt. Auch legte er in dieser Gegend die Stadt Bukephala an zum An-
denken an sein treues Roß Bukephalos, welches hier seinen Tod gefunden
hatte.
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UfeXanbers Mückkehr und Hob.
Der Sieg über den mächtigen König Porus schreckte alle Völker In-
diens. Die, welche sich nicht unterwarfen, verließen ihr Land und flohen
bestürzt über den Fluß Hyphasis. Alexander wollte auch diesen überschrei-
ten, aber die Makedonier wollten nicht weiter ziehen. Sie waren der
unaufhörlichen Anstrengungen und Mühen endlich überdrüssig. Alle sehn-
ten sich nach der Heimat zurück, von welcher sie über 600 Meilen entfernt
waren. Alexander wollte sie aufmuntern; aber vergebens. Es erhob sich
ein dumpfes Gemurmel, manche weinten. Da sprach der König erzürnt:
„Ich werde weiter ziehen; wer nicht folgen will, mag umkehren; ich werde
keinen zurückhalten; aber verkündet dann in der Heimat, daß ihr euren
König mitten im Feindeslande verlassen habt." Darauf verschloß er sich
drei Tage lang in seinem Zelte, niemand durfte ihm vor Augen kommen
Als er aber merkte, daß nichts ihren Entschluß änderte, erklärte er, er wolle
mit ihnen umkehren. Ein jauchzendes Freudengeschrei erscholl bei diesen
Worten im ganzen Lager. Alle drängten sich um ihren König und dank-
ten ihm, daß der Unüberwindliche sich habe von ihren Bitten überwinden
Neu haus, Kleine Lebensbilder. 5