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8. Der erste Kreuzzug. (1006— 1099.)
Schon in früher Zeit unternahmen fromme Christen Reisen nach dem
heiligen Lande, um an den heiligen Stätten zu beten, wo unser Heiland
lebte und starb. Solche Reisen nannte man Wallfahrten; die Resenden
hießen Pilger. Auch als die Araber 635 Palästina in Besitz nahmen,
dauerten die Wallfahrten fort, und die Pilger wurden in ihren Andachts—
übungen nicht gestört. Im 11. Jahrhundert eroberten die rohen Türken
Jerusalem; diese mißhandelten die Christen und entweihten die heiligen Orte.
Wehklagend kamen die Pilger nach Europa zurück und erzählten von dem
Jdammer in Jerusalem.
Um diese Zeit machte der französische Mönch Peter von Amiens eine
Wallfahrt nach dem heiligen Lande. Auf seiner Rückreise begab er sich
nach Rom zum Papste Urban U. und schilderte diesem die große Not der
Christen in nn und die von den Türken verübten Greuel. Der
Papft antwortete: „Gehe hin, mein Sohn, erzähle allerorten, was du ge—
sehen und gehört hast, und rufe die ganze Christenheit auf, Jerusalem den
Türken zu entreißen.“ Und Peter that also. Im groben, wollenen Mönchs—
rock, einen Strick um den Leib, barfuß und mit einem Kruzifix in der Hand
zog er, auf einem Esel reitend, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf.
Und er redete begeistert zu der Menge, die sich überall um ihn scharte.
Gewaltig war die Wirkung seiner Predigt; allenthalben regte sich ein
glühender Eifer, zum Streite gegen die Ungläubigen auszuziehen.
Nun berief der Papst 1095 eine Kirchenversammlung nach Clermont
in Frankreich und forderte zum heiligen Kampfe gegen die Türken auf.
Da riefen alle begeistert aus: „Gott will es!“ Wer an dem Heerzuge
teilnehmen wollte, heftete sich ein rotes Kreuz auf die rechte Schulter; davon
rühren die Namen Kreuzzüge, Kreuzfahrer her.
Mit großem Eifer rüstete man allerorken. Schon im Frühjahr 1096
zog Peter mit 100000 Mann aus. Allein es war keine kriegsgeübte
Mannschaft, sondern zusammengelaufenes Volk, das ohne Ordnung, ohne
Lebensmittel, ohne gehörige Bewaffnung den Zug antrat. Unterwegs wurde
geraubt und geplündert. Da griffen in Ungarn die erbitterten Einwohner
zu den Waffen gegen die zuchtlosen Horden. Tausende von Kreuzfahrern
wurden erschlagen. Tausende wurden durch Hunger, Krankheiten und Be—
aller Art hinweggerafft. Der Rest fiel in Kleinasien durch
as Schwert der Türken. So kamen 100000 Menschen um, ohne das
heilige Land auch nur zu sehen.
Im Herbste desselben Jahres hatten die Fürsten, Grafen und Ritter
ihre Rüstung vollendet. An der Spitze dieses wohlgeordneten Heeres stand
der tapfere Herzog Gottfried von Bouillon. Bis Konstantinopel ging alles
glücklich. Wer sobald das Heer von dort nach Kleinasien übergesetzt war,
begann eine Zeit großer Not und Trübsal. Die Kreuzfahrer fanden an
den Türken einen ebenso tapfern als listigen Feind; sie mußten einzelne
Städte monatelang belagern und erlitten durch die Sonnenglut, durch
Hunger und Seuchen ungeheure Verluste. Im dritten Jahre nach dem
Aufbruch eroberten sie Jerusalem. Gottfried wurde zum Könige gewählt.