Full text: Erzählungen für den ersten Geschichtsunterricht

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9. Roland. 
Unter den Paladinen oder Rittern Karls des Großen war der 
berühmteste Roland. Seine Mutter war Karls Schwester Berta. Diese 
war von ihrem Bruder verstoßen worden, weil sie den Ritter Milon 
von Anglante wider Karls Willen geheiratet hatte. Als Milon einst in 
den Krieg gezogen war, geriet Frau Berta in große Not. Allein ihr 
Sohn Roland verschaffte ihr den nötigen Lebensunterhalt, indem er keck 
Speise und Trank von des Kaisers Tafel holte. Dem Kaiser gefiel die 
Kühnheit des Knaben, und er verzieh seiner Schwester um ihres wackern 
Sohnes willen. 
Einst schickte Karl seine Paladine aus, um einen kostbaren Edelstein 
zu holen, den ein Riese des Ardennenwaldes in seinem Schilde trug. 
Unter den Rittern befand sich auch Milon, und Roland durfte seinen 
Vater als Schildträger begleiten. Auf der Suche nach dem Riesen hatte 
Milon sich eines Tages ermüdet im Walde zum Mittagsschlafe aus- 
gestreckt, während Roland die Wache hielt. Auf einmal sah dieser in der 
Ferne den Riesen kommen. Ohne den Vater zu wecken, ritt Roland dem 
Riesen entgegen und tötete ihn. Das Kleinod nahm er ihm ab und 
verbarg es bei sich. Als Milon nach seinem Erwachen den erschlagenen 
Riesen fand, ritt er betrübt nach Hause, weil ein anderer das Kleinod 
gewonnen hatte. Er war aber sehr erstaunt, daß man ihm in Aachen von 
allen Seiten Glück wünschte. Denn Roland hatte heimlich den weithin 
leuchtenden Edelstein in den Schild seines Vaters gesetzt. 
Als Roland zum Ritter herangewachsen war, begleitete er Kaiser 
Karl auf seinem Zuge nach Spanien gegen die heidnischen Mauren. Auf 
dem Rückzüge führte Roland die Nachhut des kaiserlichen Heeres. Aber 
durch Verrat fiel er im Tal von Ronceval mit seinem Heere in einen 
Hinterhalt. Tapfer kämpfte Roland mit seinen Genossen gegen die Heid- 
nische Übermacht. Aber einer der Helden fiel nach dem andern, und 
schließlich war Roland nur noch übrig. Tödlich verwundet hatte er keine 
größere Sorge, als daß sein treues Schwert Durand arte in die Hände 
der Feinde fiele. Vergebens versuchte er es an einem marmorharten Felsen 
zu zerbrechen. Dann nahm er sein elfenbeinernes Horn und blies mit 
seiner letzten Kraft so gewaltig hinein, daß Karl es in einer Entfernung 
von acht Meilen hörte. Eiligst kehrte er zurück, aber Roland war bereits 
tot, nachdem er sein Schwert in die Hand des herbeigeeilten Helden 
Dietrich übergeben hatte. 
10. Heinrich I. 
Heinrichs Wahl. — Der Sachsenherzog Heinrich war ein eifriger 
Vogelsteller. Als er wieder einmal bei seiner Burg im Harz mit dem
	        
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