— 126 —
edlen Seele sei. Im April 1793 wurde in Darmstadt die Verlobung
gefeiert, und uoch vor Ablauf des Jahres führte Friedrich Wilhelm
die Prinzessin Luise als seine Gemahlin heim. Am Tage vor Weih¬
nachten fand zu Berlin die Hochzeit statt.
c- . ^ n?fe, vorher hielt die fürstliche Braut ihren Einzug in die
Hauptstadt. Alt unb jung, arm unb reich wogte bunt durcheinander auf
den Straßen; alle wollten die Prinzessin sehen, von deren Anmut, Schön¬
heit unb Tugend sie soviel gehört hatten. Enblich erschien bas hohe Paar,
unb langsam fuhr ber Galawagen burch bas Brandenburger Thor über
die Straße Unter den Lmben. Lauter Jubel erscholl, und 'sreuublich unb
ungezwungen grüßte Lnise alle, bie ihr zuwinkten und zujauchzten
Als eine Schar lieblicher Mägdlein, alle in Weiß gekleidet nnb mit
-ttosen auf Haupt unb Wangen, ihr nahte unb eines ber Kinber Luise eiueu
Myrtenkranz überreichte und babei ein Festgebicht aufsagte, ba ward ihr
Herz von Freude überwältigt; sie hob das Kind auf unb fchloß es in ihre
Arme. Dre Oberhofmeisterin rief erschrocken aus: „Mein Gott, was haben
Ew. Hoheit gethan: bas ist gegen alle Etikette!" „Wie, barf ich bas nicht
mehr thun?" fragte Luise ganz erstaunt. Das Volk aber freute sich über
brese ungezwungene Natürlichkeit der Fürstin unb rief: „Was wir an der
bekommen, bas wiffen wir!"
. . . Am Abende der Vermählungsfeier wollte die Bürgerschaft von Berlin
diefes Fest durch eine Beleuchtuug ber ganzen Stabt verherrlichen Als
bres dem kronprinzlichen Paare mitgeteilt würbe, sagte Luise: „Uns leuchtet
ber Sternenglanz breser Nacht; aber manche Witwe unb manches Waisen-
kinb wrrb vielleicht ben Weihnachtsabenb ohne Freube in großem Kummer
zubringen. Möge daher das Geld, das für die Beleuchtung der Stabt be¬
stimmt ist, verwenbet werben zur Bescherung ber Armen." Das geschah
unb Tausende sanbten dankbaren Herzens am Abende innige Gebete für
das neuvermählte Paar zum Himmel.
Luise als Kronprinzessin. Das hohe'Paar führte eine glückliche
Ehe. wurde das Vorbild eines wahrhaft christlichen Familien¬
lebens, das weithin durch die Lande leuchtete. Ihre gegenseitige Liebe,
ihre Treue und Sittenreinheit erregten die Bewunderung aller, die
den fürstlichen Personen nahestanden. Das schlechte Beispiel des
französischen Hofes hatte leider auch in Deutschland Nachahmung ge¬
funden, und auch in Berlin waren Unglaube und Üppigkeit in den
höheren Schichten der Bevölkerung weit verbreitet.
Gern weilten der Kronprinz und seine Gemahlin auf ihrem
Landsitze zu Paretz (0. d. Havel). Hier zeigte sich Luise so recht als
fürsorgliche Hausfrau und liebende Gattin, die die Erziehung ihrer
Kinder als ihre heiligste Pflicht ansah. „Mein höchster Wunsch ist,"
so schrieb sie selbst, „meine Kinder zu wohlwollender: Menschenfreun¬
den zu erziehen; auch nähre ich die Hoffnung, diesen Zweck nicht
verfehlt zu haben."
Scherzend nannte sich der Kronprinz hier wohl „Schulze von
Paretz" und die Kronprinzessin „die gnädige Frau". Gern mischte
sie sich unter die ländliche Bevölkerung und nahm auch an ihren
Vergnügungen teil. An Jahrmarktstagen liefen die Kinder des
Dorfes der edlen Fürstin nach und riefen: „Mir auch etwas, Frall
Kronprinzessin, mir auch ein Geschenk," und alle wurden bedacht.