Full text: Geschichte des preußischen Staates

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also auch nicht befehlen, sie abzulehnen; der Prinz sei in seinen Ent¬ 
schließungen vollständig frei und unabhängig. 
Um Streitigkeiten zu verhindern und Preußen den Friede« zu 
erhalten, verzichtete der Prinz freiwillig auf den spa¬ 
nischen Thron; jeder Grund zu einem Streite schien beseitigt zu sein. 
Doch die französische Regierung wollte sich den Vorwand zum 
Kriege nicht so leicht entgehen laffen; sie verlangte vielmehr jetzt durch 
ihren Gesandten, den Botschafter Benedetti, von dem Könige 
Wilhelm, er _ solle die bestimmte Versicherung aussprechen, daß er 
n iemals wieder feine Einwilligung geben würde, wenn von neuem 
die spanische Kronkandidatur aufleben würde. 
König Wilhelm war bereits am Morgen des 13. Juli auf der 
Promenade, als der französische Botschafter diese Forderung seiner 
Regierung mitteilte. Der König, überrascht und unwillig, lehnte 
eine solche Zumutung, die eine Demütigung Preußens bezweckte, 
bestimmt ab und blieb bei diesem Ausspruch, als Graf Benedetti wie¬ 
derholt und immer dringender auf feiueu Antrag zurückkamt) 
Bei feiner Rückkehr fand der König in feiner Wohnung daun einen 
Brief v. Werthers, des norddeutschen Gesandten in Paris, vor. In 
diesem Briefe, bessert Inhalt von dem französischen Minister, dem Herzog 
von Gramont, diktiert war, wurde König Wilhelm aufgefordert, dem 
Kaiser Napoleon öffentlich zu erklären: er habe nicht glauben 
können, den Interessen und der Würde des französischen 
Volkes zu nahe zu treten, als er den Prinzen zur An¬ 
nahme der Krone ermächtigte, und er hoffe, indem er 
sich der Entsagung anschließe, jeder Grund des Zwie¬ 
spaltes zwischen beiden Nationen würde nunmehr ver¬ 
schwunden sein. — Der König entschloß fich, den Gesandten, der 
eine neue Audienz nachsuchte, nicht mehr zu empfangen. Er ließ ihm 
sagen, daß er keine Antwort als die mitgeteilte habe, und er gebe, 
fo durste der Adjutant noch erklären, durchaus und ohne Rückhalt 
feine Zustimmung zur Entsagung des Prinzen; übrigens hätten von 
nun an alle Verhandlungen durch die Ministerien zu geheu.2) 
Ohne seine Kur zu beendigen, eilte König Wilhelm nach Berlin; 
seine Reise glich einem Triumphzuge; allenthalben wurde der greise 
Monarch mit begeisterten Hochrufen begrüßt. 
*) Ein Stein mit der Inschrift: „13. JULI bezeichnet 
gegenwärtig die Stelle, wo der Bot- 1870 
schaster diese Anforderung an den 9 UHR 10 MIN. 
König richtete. MORGENS.“ 
2) Als der König am 14. Juli Ems verließ, empfing er den Bot¬ 
schafter, der um die Erlaubnis gebeten hatte, sich verabschieden zu dürfen, 
auf dem Bahnhöfe und reichte ihm gütig die Hand. Nur das geschäftige 
Gerücht schuf alsbald die Legende, König Wilhelm habe den Botschafter 
gleich auf dem Brunnenplatze kräftig abgefertigt; in Lied und Bild ver¬ 
breitete sie sich durch ganz Deutschland. Lindner.
	        
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