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trefflich Bescheid weiß und mit Nadel und Nähmaschine gut fertig zu
werden versteht.
In Bornstedt bemerkte die Prinzessin, daß manche Kinder den größten
Teil des Tages ohne Aufsicht umherliefen. Sie richtete deshalb ein Kin¬
derheim ein. In einem Hause wurden arme verwahrloste Kinder rein¬
lich gehalten und beaufsichtigt; desgleichen erhielten sie dort Frühstück und
Mittagessen. Zu Weihnachten wurden die Kleinen besonders bedacht; sie
bekamen dann neben anderem rote Flanellröckchen, welche die Kronprin¬
zessin und ihre Töchter selber angefertigt hatten. Als die hohe Frau am
Krankenbette ihres schwerleidenden Gatten in Italien weilte, gedachte sie
auch dort ihrer Bornstedter Kinder.
Die Kaiserin als Landesmutter. Auch die Erwachsenen, welche
in Not und Bedrängnis sind, dürfen ans die Teilnahme der edel¬
mütigen Fürstin rechnen. In Berlin gründete sie Anstalten, in denen
Mädchen aller Stände eine tüchtige Ausbildung erhalten können. So
bildete sich unter ihrem Schutze der „Lette = Verein", wo die
Mädchen zuschneiden, weißnähen und kochen lernen, aber auch in der
Buchdruckerkunst und in anderen Gewerben ausgebildet werden. Für
Mädchen, welche Lehrerinnen werden wollen, sorgte sie durch die Grün¬
dung des Viktoria-Lyceums in Berlm. Für die Handwerker,
wie auch für die weiblichen Handarbeiten besorgte sie mit ihrem Ge¬
mahle schöne Muster aus früherer Zeit, um diese Gewerbezweiae mehr
und mehr zu heben.
Der Wissenschaft und Kunst wurde die Prinzessin eine warme
Förderin. Ost erschien sie in den Mädchen-Fortbildungsschulen, und
gern besuchte sie die Arbeitsstätten der Maler und Bildhauer.
Den armen Kranken war sie stets eine hilfreiche Freundin; oft
fah mau sie hinter dem Sarge eines Armen hergehen und einen Kranz
auf sein Grab niederlegen. Während der Regierung ihres Gemahls
wurden einige Gegenden Deutschlands von fürchterlichen Überschwem¬
mungen heimgesucht. Von dem Krankenlager des leidenden Gatten
eilte die Kaiserin hin zu den Unglücksstätten, um die Not zu lindern
und Trost zu spenden.
Besonders mitfühlend zeigte sich die Fürstin während der Kriege
von 1866 _ und 1870. Den Soldaten im Kriege schickte sie wär¬
mende Kleidungsstücke, den Familien, deren Ernährer in Feindesland
weilten oder schon gefallen waren, ließ sie reichliche Unterstützung zu¬
kommen. Sie sammelte eine große Geldsumme, welche sie unter sie
verteilen ließ. Wiederholt weilte sie während des Krieges von 1870/71
in den Krankenhäusern und Lazaretten, redete den verwundeten und
leidenden Soldaten freundlich zu und beschaffte ihnen gute Betten
und passende und kräftige Nahrung.
Die Pflegerin am Krankenbette. Im blühenden Kindesalter
starben ihre Söhne Sigismund und Waldemar. Jür Jahre
1887 wurde ihr Gemahl von einem bösartigen Halsübel befallen.
Jetzt zeigte sich so recht offenbar, in welch inniger Liebe sie ihrem