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Der falsche Waldemar. Bei einem so traurigen Zustande in
den Marken war es nicht zu verwundern, daß sich die Bevölkerung
nach den glücklichen Zeiten unter den Anhaltinern zurücksehnte. Es schien
auch, als sollte ihre Sehnsucht in Erfüllung gehen. — Im Jahre 1348 ließ
sich beim Erzbischöfe von Magdeburg ein alter Pilgersmann melden, der
sich für den Markgrafen Waldemar ausgab. Er erzählte, trotz naher
Verwandtschaft habe er mit seiner Gemahlin die Ehe geschlossen' Voll
Reue über diesen Schritt habe er eine Wallfahrt zum Grabe des Erlösers
gemacht, uni dort Buße zu thun. Das Gerücht von seinem Tode habe er
selber verbreiten lassen, und während statt seiner ein anderer beerdigt sei,
habe er sein Gelübde erfüllt. Als Beweis für die Richtigkeit seiner An¬
gaben zeigte er den Siegelring Waldemars; auch wußte er vieles aus dem
Leben des Fürsten zu erzählen. Dabei war er durch seine Gesichtszüge
uud seine Gestalt, durch seine Stimme und Bewegungen dem Waldemar
so ähnlich, daß viele glaubten, den berühmten Markgrafen vor sich zu
sehen. Der Erzbischof von Magdeburg, die Fürsten von Anhalt und
Sachsen, sogar der deutsche Kaiser Karl IV. erklärten sich für ihn; das
Volk jubelte dem geliebten Fürsten entgegen, und bald war Waldemar im
Besitze des größten Teiles der Mark Brandenburg. Nur Spandau, Frank¬
furt und Brietzen, letzteres seitdem Treuenbrietzen genannt, blieben Ludwig
dem Alteren ergeben.
Als es aber gelang, dem Kaiser Karl IV. in der Person Günthers
von Schwarzburg einen Gegenkaiser gegenüber zu stellen, ließ Karl IV.
den angeblichen Waldemar fallen und söhnte sich mit Ludwig dem Alteren
aus. Jetzt verlor auch Waldemar seinen übrigen Anhang; nur die An¬
haltiner hielten an ihm fest und gewährten ihm eine Zufluchtsstätte in
Dessau, wo er fürstlich gehalten und nach seinem Tode in der Familien¬
gruft beigesetzt wurde. — Ob der „falsche" Waldemar ein Müllerbursche
Namens Jakob Rehbock aus Hundelust bei Zerbst gewesen, der im Heere
Waldemars als Schildknappe gedient haben soll, ist bis heute nicht klar
gestellt.
Ludwig der Römer. (1351—1365;) Otto der Faule. (1351
bis 1373.) Ludwig, nach seinem Geburtsorte Rom der Römer-
genannt, folgte nebst seinem Bruder Otto dem Faulen seinem
älteren Bruder in der Regierung der Mark Brandenburg, worauf
letzterer zu Gunsten seiner Brüder verzichtet hatte.
Der erstere, Ludwig der Römer, erhielt im Jahre 1356 infolge
des Erlasses „der goldenen Bulle" durch Kaiser Karl IV. den Titel
Kurfürst.
Diese neue Würde berechtigte die Herrscher Brandenburgs zur Teil¬
nahme an der Wahl des Kaisers, gab ihnen den dritten Sitz zur Linken
des Kaisers, übertrug ihnen die Ehrenpflicht, bei der Kaiserkrönung das
Reichszepter und den Reichsapfel vorzutragen, brachte ihnen die Unteil¬
barkeit der Kurlande und ferner das unbeschränkte Recht über Bergwerke,
Münzen, Zölle u. s. w.
Im Jahre 1363 schloß Karl IV. mit den beiden Brüdern einen
Erbvertrag, infolgedessen Brandenburg mit Böhmen vereinigt
werden sollte. Nach dem Tode Ludwigs versuchte aber Otto, die
Mark Brandenburg mit Hilfe feiner bayerischen Verwandten für sich
zu retten. Allein Karl rückte mit einem Heere in die Marken ein,