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Tugend und gute Sitten vermochten Bei den alten Deutschen
mehr als anderswo gute Gesetze. Wenn auch noch roh und in
^ft rber mtur ^hin lebend, zeigte das Volk in
Allem sittlichen Ernst uud Würde. Die Heiligkeit der Ehe und
das tnmge Familienleben sind die sprechendsten Beweise dafür.
Wie Bet kemem anderen Volke der Alten wurden die Frauen in
Ehreti gehalten. Alh MorgengaBe erhielt die Frau vom Manne
eitt Rmdergefpann, ein Schlachtroß, Schild und Speer; diese GaBe
deutete an, daß im Kriege wie im Frieden die Frau die Gefährtin der
ArBetten und Gefahren des Mannes sein und daß sie unverletzt den
Klndern uBerüesern solle, was die Eltern in Ehren gehalten. So
war diese GaBe gleichsam die geheime, heilige Weihe der Ehe.
^on ber allen Deutschen war, wie die Bei anderen
alten Volkern, eme Naturreligion, d. h. sie war aus der Betrach¬
tung der Natur, ihrer großartigen und wunderBaren Erscheinungen
hervorgegangen. Aber während Bei den anderen Völkern Viel-
gotterei und aBergläuBischer Götzendienst entstanden, Blieben in dm
remeren Gemüthern der Deutschen die religiösen Anschauungen viel
edler und erhaBener. Sie verehrten zwar auch mehrere Götter:
aber sie erkannten in ihnen höhere Wesen von göttlicher Kraft,
Erhabenheit und Größe und legten ihnen mchi, wie z. B. die
Griechen und Römer, neben _ göttlicher Hoheit menschliche Natur
Mit ihren Schwächen bei. Sie machten sich von ihren Göttern
keme Bilder und verehrten sie nicht in Tempeln; dieses schien
ihnen des erhabenen göttlichen Wesens unwürdig, das man, wie
sie ^ glauBten, nicht in Mauern einschließen könne. In der
freien Natur, wo ^ schöne Eichen oder perlende Quellen waren, er¬
kannten sie göttliche ^ Heiligthümer, und hier verehrten sie ihre
Götter. Enge mit dieser edleren Vorstellung von der ErhaBenheit
des göttlichen Wesens hängt auch ihr fester GlauBe an die Un-
[terBtichfeit der Seele zusammen. Sie stellten sich vor, daß in der
schönen HimmelsBurg Walhalla die im Kampfe ehrenvoll Ge-
fallenen aufgenommen würden und dort unter Wodan selbst alle
Tage ihre Kämpfe fortsetzten und sich Bei Trinkgelagen und Ge¬
sang ergötzten. Weiber und Kinder kamen in die übrigen Himmels¬
räume. Die ehrlos Gefallenen wurden in das traurige Reich der
Hela verwiesen. Als obersten Gott und Allvater verehrten die
Deutschen den Wodan. Die Mutter-Erde verehrten sie in der
Göttin Nerthus oder Hertha. Thor war der Gott des Donners,
Freia die Göttin der Ehe. Von diesen Götternamen leitet man
auch die Namen der Wochentage her, wie Donnerstag, Freitag,
Dinstag, (von Ziu, dem Gott des Krieges, Ziestig). Auch die
Sonne und das Feuer wurden verehrt. Als Stammvater aller
Deutschen wurde Tuisko oderTeut mit göttlichen Ehren gefeiert.