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§. 155.
Napoleons Rückkehr. Der zweite Pariser Friede.
Ermnthigt durch den Streit der Fürsten auf dem Congreß,
sowie durch die Unzufriedenheit in Frankreich über die Wiederkehr
der Bonrbonen und vertrauend auf die Anhänglichkeit der Armee,
die er zu Sieg und Ruhm geführt hatte, faßte Napoleon den
kühnen Entschluß, sich wieder der Herrschaft Frankreichs zu bemäch-
tigen. Unerwartet landete er am 1. März 1815 mit ungefähr
1200 Mann in Cannes in der Provenee, kündigte sich in einer
Proclamation als den Besreier Frankreichs vom Joche der Bonr-
bonen an und rief die Soldaten unter seine Fahne. In einem
raschen Marsche, der einem Triumphzuge glich, kam Napoleon, von
allen Seiten her verstärkt und nachdem die Truppen, welche der
König unter Marschall Ney gegen ihn geschickt hatte, zu ihm über¬
gegangen waren, schon am 20. März nach Paris. Ludwig XVIII.
war, von der Armee verlassen, Tags zuvor nach Gent entflohen,
und Napoleon hielt wieder als Kaiser seinen Einzug in Paris.
In einem Manifest versprach er, den Pariser Frieden halten zu
wolleu.
Aber die aus dem Congreß versammelten Mächte erklärten
ihn als den Störer des Friedens von Europa in die Acht und
beschlossen, ihn durch einen allgemeinen Heereszug zu unterdrücken.
Sogleich rückten ein englisch-niederländisches Heer unter Welling-
ton und ein preußisches unter Blücher aus den Niederlanden
gegen die französische Grenze vor. Napoleon warf sich ihnen mit
150,000 Mann entgegen und siegte in mehreren Treffen. Am
18, Juni 1815 griff er Wellington bei Waterloo und Belle-
Alliance mit Uebermacht an. In mörderischer Schlacht wurde
den ganzen Tag gekämpft; Wellington hielt, auf Blüchers Hilfe
rechnend, standhaft aus. Schon nahte das Ende des Tages, als
sich der Sieg auf Napoleons Seite neigen zu wollen schien; aber
da erschien im entscheidenden Augenblick Blücher mit den Preußen,
und der vollständigste Sieg krönte die Waffen der vereinigten Kam-
pfer. Das französische Heer floh in wilder Flucht; Napoleon selbst
verließ in der Eile seinen Reifewagen, um zu Pferde schneller zu
entkommen. Wagen, Mantel, Hut und Degen wurden eine Beute
des rasch verfolgenden Gneifenan. Dies war das Ende der
sogenannten Herrschaft der hundert Tage.
Napoleon entsagte am 22. Juni, als auch die Kammern in
Paris sich gegen ihn wendeten, dem Thron zu Gunsten seines
Sohnes. Sein Anerbieten wurde nicht angenommen. Allgemein