Full text: Erzählungen aus der Geschichte

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ficht auf sein wahres Wohl hingab, beweist außer manchen anderen 
das Beispiel von Alcibiades. 
§. 35. 
Alcibiades. 
Alcibiades stammte aus einer der vornehmsten und reich- 
sten Familien Athens und war mit Perikles verwandt» Schon 
als Knabe erregte er durch seine Schönheit, noch mehr aber durch 
seine geistigen Anlagen allgemeine Aufmerksamkeit. Unter der 
Aussicht des Perikles erhielt er eine treffliche Bildung und zeichnete 
sich bald so aus, daß man Großes von ihm zu erwarten berech- 
tigt war. Zugleich aber zeigten sich auch srühe bei ihm An- 
zeichen von fehlerhaften Neigungen, und diese wurden mit dem 
heranreifenden Alter immer stärker. Alcibiades besaß von Jugend 
aus einen grenzenlosen Ehrgeiz; eitel aus sich und sein Vermögen 
wollte er, daß man nur von ihm rede. Damit verband er eine 
Leichtfertigkeit, die sich bis zu boshaftem Mnthwillen und in seinen 
späteren Jahren selbst bis zur Gewissenlosigkeit steigerte. Keck- 
heit, die oft Frechheit wurde, und ein unbändiger Trotz traten 
schon in dem Knaben stark hervor. So werden uns in einer 
Reihe von Anekdoten einzelne Charakterzüge aus dem Jugendleben 
des Alcibiades erzählt. 
Schon als Knabe war er nicht zu bewegen, die Flöte spielen 
zu lernen; denn durch das Flötenspiel, sagte er, würde das Ge- 
steht entstellt und man könne dabei nicht reden oder singen. — 
Einst spielte er mit anderen Knaben aus der Straße Würfel. 
Als er gerade am Wurfe war, kam ein Wagen dazu. Zuerst 
rief er dem Fuhrmann zu, er solle warten, und als dieser nicht 
aus ihn hörte, warf er sich vor dem Wagen auf den Boden und 
hieß den Fuhrmann weiter fahren, wenn er wolle. Dieser, über¬ 
rascht durch die Tollkühnheit des Knaben, hielt das Gespann zu- 
rück, und Alcibiades that seinen Wurf. — Einmal wettete er in 
einer Gesellschaft, er wolle einem würdigen Greife auf öffentlicher 
Straße eine Ohrfeige geben. Er that es und lies davon. Ganz 
Athen sprach von der Frechheit des jungen Alcibiades; er aber 
ging zu dem Greise, entblößte, um Verzeihung bittend, seinen 
Rücken und wollte so viele Hiebe aushalten, als jener bestimmen 
würde. Der Greis verzieh ihm und gewann den einschmeichelnden 
Jüngling so lieb, daß er ihm seine Tochter in die Ehe gab. — 
Er hatte einen prächtigen Hund um eine außerordentliche Summe 
gekauft, und ganz Athen sprach von dem schönen Hund; da ver- 
ftümmelte er denselben auf abscheuliche Weise, und Athen sprach
	        
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