— 6 —
gut und wünschenswert ist, nichts ohne Arbeit und Mühe ge-
währen. Wünschest du, daß die Götter dir gnädig seien, so
mußt du die Götter ehren; willst du, daß deine Freunde dich
lieben, so mußt du den Freunden nützlich werden; strebst du
darnach, von deinem Vaterlande geehrt zu werden, so mußt du
ihm Dienste leisten; willst du ernten, so mußt du säen; willst
du deinen Körper beherrschen, so mußt du ihn durch Arbeit und
Fleiß abhärten. Komm, folge mir! ich habe mit den Göttern,
habe mit allen guten Menschen Verkehr. Meine Freunde sind
geehrt bei jung und alt, geachtet in aller Welt, geliebt von
den Göttern. Und kommt das Ende, so liegen sie nicht rühm-
los in Vergessenheit begraben, sondern sie leben, von der Nach-
welt gepriesen, im Andenken aller Zeiten. Zu solchem Leben
entschließe dich, Herkules, und vor dir liegt das glücklichste
Los." Hierauf verschwanden die Gestalten, und Herkules be-
fand sich wieder allein. Er entschloß sich, den letzteren Weg zu
gehen, den Weg der Tu g end. Da sollten ihm freilich schwere
Arbeiten und Kämpfe auferlegt werden; allein er bestand mit
Heldenkraft und wurde dadurch der Wohlthäter seines Vater-
landes.
3. Die zwölf Arbeiten. Der nemeische Löwe.
— Um seinen Mut und seine Ausdauer zu prüfen, gab das
Orakel zu Delphi dem Herkules den Befehl, dem Eurystheus,
einem Könige im südlichen Griechenland, zwölf Jahre dienstbar
zu sein und alles gehorsam auszuführen, was Eurystheus von
ihm verlangen werde. In diesem Dienste vollbrachte er nun
nacheinander zwölf Arbeiten. Die erste Arbeit, welche er
zu verrichten hatte, bestand darin, daß er einen grimmigen
Löwen erlegen sollte, der in dem Thale Nemea hauste.
Dieses Untier verbreitete Angst und Entsetzen in der ganzen
Gegend; menschliche Waffen konnten sein zottiges Fell gar
nicht durchdringen. Als Herkules in den Wald kam, suchte er
lange umsonst nach demLöwen; endlich gegen Abend sah er ihn
auf einem Waldwege dahergelaufen kommen. Rasch verbarg sich
Herkules hinter einen Baum, spannte seinen Bogen und schoß
dem Löwen, als er nahe genug war, einen Pfeil in die Flanken