58 Alte Geschichte.
troffen stand das Heer, nur Hannibal zagte nicht. Getrost begann er die
mühevolle Fahrt. Bald glitt ein Soldat, bald der andere aus und stürz-
ten jählings den Berg hinunter. Die Pferde, von ihren Reitern am
Zaume geführt, scheuten, die Elephanten wollten nicht vorwärts, die Wagen
rollten zurück und rissen Alles hinter sich in den Abgrund. Dazu stürz-
ten die wilden Bewohner der Berge aus ihren Schluchten auf die auf-
wärts Klimmenden, oder überfielen von den Höhen herab die müden
Kletterer. Auf allen Gesichtern Verzweiflung, nur Hannibal's Auge und
Mund sprach Muth ein; unerschüttert führte er sein Heer bis auf die
Höhe der Alpen. Hier auf ewigen Schnee- und Eisfeldern ließ Hannibal
feine Soldaten zwei Tage rasten und zeigte den Mnthlofen in weiter Ferne
die herrlichen Gefilde des obern Italien. Das Heer bekam frischen Muth
und fing an, hinabzusteigen. Aber auf dem glatten Boden war kein Halt,
Menschen und Thiers schössen jählings hinab. Einmal kam das Heer an
einen einige tausend Fuß tiefen Abgrund. Da ließ Hannibal einen schma-
len Pfad, der an der Felsenwand hinabführte, erweitern und auf diesem
führte er Heer und Elephanten abwärts. Endlich hatten die bleichen
Krieger die Ebenen Italiens erreicht, aber mehr als die Hälfte des Hee-
res war auf dem kühnen Marsch^), von Ebro bis an den Südfuß der
Alpen, zu Grunde gegangen.
2. Mit unerschüttertem Muthe führte Hannibal sein Heer weiter. Am
218 Ticinus 2) traf er auf die Römer. Ein hitziges Reitergefecht entsteht,
die Karthager siegen. Hannibal zieht weiter nach Süden und überschreitet
Trebia den Po. Art der Treluci2) stellt sich ihm verstärkt das römische Heer
218. entgegen: Hannibal läßt seine Soldaten so aufmarfchiren, daß der Wind
den Römern Schnee und Regen in's Gesicht treibt und so mit dem Wet-
ter im Bunde schlägt er die Feinde. Ganz Oberitalien unterwirft sich
dem Sieger und er überwintert in der den Römern entrissenen Provinz.
Im Frühjahre des nächsten Jahres (217) drang Hannibal über die
Apenninen in die Niederungen des Arno ein. Der Fluß war aus seinen
Ufern getreten und hatte die Gegend überschwemmt. Vier Tage und drei
Nächte mußten die Soldaten bis an die Kniee im Wasser waten. Den
Pferden gingen die Hufe ab, die Lastthiere blieben im Schlamme stecken;
Hannibal selbst verlor durch eine Entzündung ein Auge. Aber ungebeugt
führte der einäugige Feldherr sein Heer weiter. Kaum aber hatte er die
Trasimeni- Anhöhen der Apenninen wieder erreicht, kaum war er auf dem Trockenen,
scher See \0 rückte ein großes römisches Heer gegen ihn an. Hannibal lockte dasselbe,
• indem er seitwärts zog, in das enge Thal am trasimenischen See2),
1) Die Entfernung vom Ebro bis zur Rhone beträgt etwa 80, von da bis
Oberitalien ungefähr 120 deutsche Meilen; also im Ganzen etwa 200 Meilen. —
Die Rhone erreichte Hannibal Ende September, er überschritt dieselbe nördlich von
der Einmündung der Dnrance, zog dann an der Jsere aufwärts den Alpen zu, die
er in der zweiten Hälfte des Oktober erreichte. Der Uebergang über dieselben —
wahrscheinlich über den kleinen St. Bernhard, 6700 Fuß hoch — dauerte 15 Tage
(9 Tage aufwärts, 6 Tage abwärts). — Der Verlust des Hannibal auf diesem
Marsche wird zu 25,000 Fußgängern, 3000 Reitern und 36 Elephanten angegeben.
2) Der Tieinus, jetzt Ticino, linker Nebenfluß des Po. — Trebia, rechter
Nebenfluß des Po. — Der trasimeuische See, westlich von der oberen Tiber;
jetzt Lago di Perugia (unweit Perugia im Königreich Italien.)