Hannibal. 59
Hier kam es im Juni 217 zur Schlacht: 15,000 Römer wurden erschlagen
und 6000 gefangen. Hannibal zog weiter, Rom umgehend und gelangte,
am adriatischen Meere hinmarschirend, bis Sübitalien.
Die Römer ernannten jetzt Quint us Fabius, einen bejahrten, Fabius
allgemein geehrten Mann zum Diktator1). Dieser beschloß, den Krieg Diktator,
nur vertheidigungsweise zu führen und so lange als möglich eine Schlacht
zu vermeiden. Vorsichtig zog der Diktator mit seinem Heere auf den
Bergen, indem er den Feind im Auge behielt. Lagerte sich Hannibal, so
lagerte sich Fabius auch; zog Hannibal weiter, so marschirte Fabius auf
den Höhen ihm zur Seite. Die römischen Soldaten, unmuthig über
dieses, wie sie sagten, „müßige Hin - und Herziehen in den Wolken,"
schalten ihren Feldherrn feig und nannten ihn spöttisch den Zauderer
oder Cunktator. Fabius ließ sich dadurch nicht irremachen und es gelang
ihm endlich, Hannibal mit seinem Heere in einem Thalkessel, nördlich von
Kapua 2), einzuschließen. Eine List rettete die Karthager. Hannibal ließ
2000 Ochsen zusammenbringen, zwischen die Hörn er eines {eben Thieres
ein Reisigbündel befestigen. Als es Nacht geworden war, zündete man
die Bündel an und jagte die dadurch wild gewordenen Thiere hinauf
gegen die Römer. Diese wußten nicht, was diese gegen sie anstürmenden
Fackeln seien und in der allgemeinen Verwirrung führte Hannibal glücklich
sein Heer aus dem gefährlichen Thale.
Hierauf zog Hannibal bei des Fabius Landgütern vorbei; er ließ
Alles umher verwüsten, verschonte aber die Güter des Fabius. Seine
Absicht gelang: die unzufriedenen Soldaten begannen zu argwöhnen, daß
Fabius ein geheimes Einverständniß mit dem Feinde habe und als der
kühne Unterbefehlshaber Minueius einen kleinen Vortheil über die Kar-
thager gewann, ward ihm gleicher Antheil an dem Oberbefehl gegeben.
Fabius theitte mit ihm das Heer. Voll Freude eilte Minucius mit der
ihm zugetheilten Heeresabtheilung hinab in das Thal, und — fiel in
einen Hinterhalt des Hannibal, der schon lange auf den Unbesonnenen
lauerte. Zum Glück kam Fabius ihm zu Hilfe und kehrte mit den Ge-
retteten auf die sichern Höhen zurück. „Deicht1 ich's doch,,, rief Hannibal
ärgerlich, „daß die Wolke auf den Bergen uns ein Unwetter bringen
würde." Von nun an wurde der frühere Schimpfname des Fabius:
„Cunktator" fein Ehrenname.
Nachdem die Amtszeit des Fabius abgelaufen war, übernahmen- (216)
die beiden Konsuln den Oberbefehl und zogen mit 80,000 Mann Fu߬
soldaten und 6000 Reitern gegen Hannibal. Es kam zur Schlacht bei Kannä
Kannä2) am 2. August 216, der fürchterlichsten im ganzen Kriege, die 216.
mit der völligen Niederlage der Römer endete. 45,000 römische Bürger,
80 Senatoren und 3000 Ritter fielen. — Rom's Macht schien dahin,
ber Glanz unb Schrecken seines Namens vorbei zu sein, fast alle Völker
unb Städte Unteritalien's huldigten bem Sieger. Nur Rom's Bür-
ger verzagten nicht unb gaben ben Gesanbten Hannibal's, bte Friebens-
vorschläge machten, zur Antwort: „So lange noch Ein Karthager in Jta-
1) Der Diktator war unumschränkter Oberfeldhcrr und wurde erwählt, wenn
der Staat sich in großer Gefahr befand.
2) Kapua, Stadt in Kampanien, nördlich von Neapel. — Kannä, Stadt
in Apulien (östlich von Neapel), unweit des adriatischen Meeres.