Full text: Deutsche Geschichte von der Thronbesteigung Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart (Teil 3)

314 Achter Zeitraum. Bis zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches. 
f) Landwirtschaft, Industrie, Handel und Verkehr. In der langen 
Friedenszeit, welche auf die Befreiungskriege folgte, nahm das Wirtschaft- 
liche Leben Deutschlands einen großen Aufschwung. Die Landwirt- 
schaft hatte noch nicht unter dem Wettbewerb des Auslandes zu leiden. 
Durch die Befreiung der Bauern war ihre Tatkraft und ihr Unter- 
nehmungsgeist mächtig angeregt worden. Man begann den Ackerbau und 
die Viehzucht rationell, d. h. nach den Forderungen des durch die 
Naturwissenschaften (Chemie) geleiteten Nachdenkens, zn betreiben. Bahn- 
brechend wirkten in dieser Richtung Albrecht Thaer und Justus 
Lieb ig. Die Frucht wechselwirtschaft fand fast allgemein Eingang. 
Der Anbau der Zuckerrübe, der bald einen der wichtigsten Zweige der 
deutschen Landwirtschaft ausmachte, förderte Friedrich Wilhelm III. per¬ 
sönlich (1801 die erste Rübenzuckersabrik in Preußen). 
Der deutsche Gewerbefleiß hatte anfangs einen ungleichen Kampf 
mit dem Auslande zu bestehen. England war uns durch die frühere 
Ausnutzung der neuen Erfindungen weit voraus. Frankreich behauptete 
noch auf Jahrzehnte die unter Ludwig XIV. begründete ausschließliche 
Herrschaft auf dem Gebiete der Mode und des Geschmacks in Kleidung 
und Hausrat. Trotzdem gelang es der nimmer rastenden Tatkraft unseres 
Bürgertums, den fremden Wettbewerb im eigenen Lande allmählich zurück- 
zudrängen und auf dem Weltmarkte erfolgreich mit ihm in die Schranken 
zu treten. Eine wichtige Stütze bot dabei der Zollverein. Bald er- 
hoben sich auch auf deutschem Boden, vor allem in den kohlenreichen 
Gegenden (Rheinprovinz, Westfalen, Schlesien, Königreich Sachsen), aus- 
gedehnte Fabrikanlagen mit hochragenden Schloten. Doch die volle 
Wirkung der neuen Erfindungen trat erst unter Friedrich Wilhelm IV. 
und Wilhelm I. zu Tage. 
Handel und Verkehr litten in Deutschland noch lange unter dem 
Mangel an guten Wegen, der Buntscheckigkeit und Schwerfälligkeit des 
Postwesens und der Vielheit der Münzen, Maße und Gewichte. Aber auf 
fast allen diesen Gebieten ist doch ein erfreulicher Fortschritt wahrzunehmen. 
In Preußen verwandte die Regierung viele Millionen Taler auf den 
Bau von Kunststraßen. Der Flußverkehr hob sich bedeutend durch die 
Einführung der Dampfschiffahrt. Auf dem Rhein gab Holland 1 
den Verkehr bis in das Meer frei (1831), nachdem es jahrelang den 
Wortlaut der Verträge „frei bis zum Meere" willkürlich als „frei bis 
an das Meer" gedeutet hatte. — Das Postwegen erfuhr manche Ver- 
1 Im Jahre 1830 rissen sich die südlichen Niederlande von den nördlichen 
los und bildeten als Königreich Belgien einen selbständigen Staat.
	        
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