48 Die Zeit der Restauration.
war der ßelb der Unbedingten; ihr Bundeslied mahnte: „ein Christus sollst du
werden". (Treitschke.) *)
ß. Die „Mordlehren der schwarzen Brüder" zeitigten bald ihre
Früchte: am 23. Mai 1819 ermordete der Student der Theologie Karl Sand
in Mannheim den russischen Staatsrat Kotzebue, der den Burschenschaftlern
als russischer Spion tödlich verhaßt war, und am I.Juli 1819 verübte der
Apotheker Löning in Schwalbach einen Mordanschlag auf den nassauischen
Regierungspräsidenten Jbell.
Anmerkung. Sand, eine schwärmerische, zum Fanatismus neigende Natur
deren beschränkter Geist die Trugschlüsse des Follenscheu Moralsystems nicht zu erkennen
vermochte, war unter dem Einflüsse des „Grundsatzes" der Unbedingten in einen Zustand
geistiger Umnachtung geraten; in seiner Gewissensverwirrung glaubte er sich von Gott
dazu ausersehen, das deutsche Volk von einem Verräter zu befreien. Schon im Frühjahr
1818 halte er in sein Tagebuch geschrieben: „Herr, mitunter wandelte mich heute wieder
eine so wehmütige Bangigkeit an: aber fester Wille, feste Beschäftigung löst alles und
hilft alles, und das Vaterland schafft Freude und Tugend, unser Gottmensch, Christus
unser Herr, er ist ein Bild einer Menschlichkeit, die ewig schön und freudig sein muß
Wenn ich sinne, so denke ich oft, es sollte doch einer mutig auf sich nehmen, dem
Kotzebue oder sonst einem solchen Landesverräter das Schwert ins Gekröse zu stoßen."
— Nachdem Sand von der schweren Verwundung, die er sich nach der Mordtat bei-
gebracht hatte, wiederhergestellt worden war, wurde er am 20. Mai 1820 enthauptet.
Löning entzog sich der Bestrafung durch einen grauenhaften Selbstmords)
y. Die Stellungnahme der öffentlichen Meinung zu der Tat Sands und
die in dieser Zeit an verschiedenen Orten stattfindenden tumultarischen Ausbrüche
des Judenhasses riefen beiden meisten deutschen Regierungen die schlimmsten
Befürchtungen hervor.
Die Massen des Volkes, denen die Bestrebungen der teutonischen Freiheits-
schwärmer immer fremd geblieben sind, standen auch den mörderischen Heldentaten
Sands und Lönings gleichgültig gegenüber. Die gebildeten Kreise der Nation
aber begrüßten Sands Tat „als ein Zeichen dessen, was kommen wird und kommen
muß. Selbst reife Männer verglichen den Mörder mit Tell, mit Brutus, mit
Scävola. . . . Was die liberale Presse über die beiden Mordtaten sagte, lief
aus mehr oder minder versteckte Anklagen gegen die Regierung hinaus". So
war es nicht zu verwundern, daß die von der Reaktion schon längst eifrigst
verbreitete Meinung, die ganze Nation sei für den Ausbruch einer Revolution
reif, bei den Regierungen immer mehr Glauben fand. Dazu kam, daß im
Sommer 1819 der alte Haß gegen die Wuchersünden der Juden in Heidel-
berg, Frankfurt, Würzburg und andern Orten zu wüsten Pöbelaufständen
führte, die den besorgten Regierungen als die Vorboten einer allgemeinen Um-
stnrzbewegung erschienen. Dies alles versetzte die kleinen Höfe in schwere
Besorgnis. Man hegte „ganz abenteuerliche Vorstellungen von dem Umfang
der demagogischen Umtriebe, wie der neu auskommende amtliche Ausdruck lautete".
Der König von Bayern bestürmte die beiden deutschen Großmächte mit der
dringenden Bitte, gemeinsame Maßregeln gegen die Universitäten zu ergreifen.
Metternich war dazu schon längst bereit, es kam nur darauf an, ob es ge-
lingen würde, Preußen völlig für die Durchführung einer rücksichtslosen Reaktions-
Politik zu gewinnen.
*) Ausführlicheres über Folien und den Bund der Schwarzen bei Treitschke a.a.O.
II. Bd. S. 436 ff.
2) Ausführlicheres bei Treitschke a. a. O. II. Bd. S. 519 ff.