Full text: Neueste Geschichte von 1815 bis zur Gegenwart (Teil 3)

Der Sieg der Restauration. 49 
d. Unter dem Eindruck der politischen Morde des Jahres 1819 voll- 
endete sich in Preußen der schon lange vorbereitete reaktionäre Umschwung 
der Politik. 
a. 3n Preußen gingen alle entscheidenden Wendungen der inneren und äußeren 
Politik mehr als in andern Staaten von der Person des Königs aus. Schon seit 
Iahren kämpfte darum am Berliner f?ofe die reaktionäre Partei der Agrar-Aristokratie 
um den herrschenden Einfluß auf den Monarchen, ohne daß es ihr bisher trotz mancher 
Erfolge im einzelnen gelungen war, den König völlig für die Ziele ihrer Politik zu 
gewinnen; auch der Gesinnungsgenosse Metternichs, Fürst Wittgenstein, der sich das 
vertrauen Friedrich Wilhelms zu erschleichen gewußt hatte, hatte die passive Natur 
des Herrschers bisher noch nicht zu einer endgültigen Entscheidung für die Grundsätze 
der Metternichschen Staatsweisheit zu drängen vermocht. 
ß. Da wurde der König, dessen Urteil durch die gehässigen und verleumderischen 
Einslüsterungen der Reaktion bereits getrübt war, durch die Kunde von der Tat Sands und 
deren Beurteilung — Wittgenstein trug ihm geflissentlich die „törichten Artikel" liberaler 
Blätter zu — auf das tiefste erschreckt; er war von der Existenz einer großen ver- 
schwörung überzeugt und glaubte sich verpflichtet, mit unnachsichtlicher Strenge einzuschreiten. 
Schon im Mai setzte er eine Ministerialkommission zur Leitung der Untersuchungen 
ein und stattete die Polizeibehörden mit außerordentlichen Vollmachten aus; sein 
Minister des Auswärtigen erhielt den Befehl, schleunigst mit (Österreich wegen „außer¬ 
ordentlicher Bundesbeschlüsse" zu verhandeln. „Mit flammendem Eifer stürzte sich 
der neue Direktor des Polizeidepartements, Geheimer Rat Kamxtz, in die Unter¬ 
suchungen; als geborner Mecklenburger an ein totenstilles öffentliches Leben gewohnt, 
scheint er in der Tat an die große Verschwörung geglaubt zu haben, obschon er 
zugleich seine Rachgier an seinen literarischen Gegnern kühlen wollte. An ihn drängte 
sich sogleich eine Meute verworfener Menschen, wie sie in der Sumpfluft des Miß- 
trauens und des Verdachts zu gedeihen pflegen: die Räte Tzschopxe, Grano, Dambach, 
gemeine (Ehrgeizige, die das Handwerk der Verfolgung mit dem Eifer eines Schweiß- 
Hundes betrieben." (Treitfchke) 
y. Für den preußischen Staat begann mit der Zeit der Demagogenriecher ei, 
die sich nicht scheute, die „höchsten Namen der Befreiungszeit zu besudeln", eine 
Periode traurigster Selbsterniedrigung, dem politischen Systeme Metternichs aber war 
erst mit dem Siege der Reaktion in Preußen die Vorbedingung für einen erfolgreichen 
Kampf gegen die Ideen der neuen Zeit, den Liberalismus und Nationalismus, ge- 
schaffen worden.1) 
3. Durch seine Mitwirkung an dem Zustandekommen der Karlsbader 
Beschlüsse stellte sich Preußen unter völliger Verkennung seiner Lebensinteressen 
und seiner nationalen Aufgaben in den Dienst der österreichischen 
Restanrationspolitik, die ans eine von Bnndes wegen auszuführende ge¬ 
waltsame Unterdrückung der nationalen und liberalen Bewegung hinauslief. 
a. Die Entstehung der Karlsbader Beschlüsse war das erste 
Ergebnis der Bemühungen Metternichs, die reaktionäre Wendung in Preußen 
für die Zwecke seiner Restaurationspolitik nutzbar zu machen. 
ct. Das politische System Metternichs bedurfte zur Wahrung der 
österreichischen Vorherrschaft in den deutschen Landen der Erhaltung ihrer 
Zersplitterung. Mit demselben Haß, mit dem Metternich die konstitutionelle 
Bewegung in Deutschland verfolgte, weil er von ihr eine Störung des öfter- 
reichischen Stillebens befürchtete, bekämpfte er auch die Idee der nationalen 
Einheit. „Es gibt", sagte er, „keinen verruchteren Gedanken als den, die deutschen 
*) Genaueres über die Demagogenverfolgungen in Preußen bei Treitschke a. a. O. 
II. Bd. S. 540ff.; III. Bd. S. 433ff.; Kaufmann a. a. O. S. 130ff. 
Jahn, Zur deutschen Geschichte. III. Teil. 4
	        
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