Full text: Neueste Geschichte von 1815 bis zur Gegenwart (Teil 3)

Die innere Entwicklung Preußens nach den Freiheitskriegen. 
65 
heit überall an den Tag gelegt hatten, erfüllte die Sieger mit hochmütiger Verachtung 
ihrer Gegner." (Flathe.)') 
§ 5. Die innere Entwicklung Preußens in den Jahren nach den 
Freiheitskriegen. 
Während der Preußische Staat in der auf die Freiheitskriege 
folgenden Periode seiner Geschichte durch die Unterordnung seiner 
Interessen unter die Ziele der österreichischen Restauratious- 
Politik nach außen hin an Ansehen und Bedeutung die schwerste 
Einbuße erlitt, reifte er durch eine langsam aber stetig fort- 
schreitende innere Entwicklung der Erfüllung seiner nationalen 
Aufgabe entgegen. 
I. Die Ausgaben der inneren Politik Preußens nach den Freiheitskriegen und die 
Schwierigkeiten, die sich ihrer Lösung entgegenstellten. 
1. „Nach dem Friedensschlüsse begann für Preußen wieder wie einst in 
den Tagen Friedrich Wilhelms I. ein Zeitalter stiller Sammlung, reizlos 
und nüchtern, arm an großen Ereignissen, reich an Arbeit und stillem Ge- 
deihen, eine Zeit, da das gesamte politische Leben in der Tätigkeit der Ver¬ 
waltung aufging und das königliche Beamtentum noch einmal seine alte staats- 
bildende Kraft bewährte." (Treitschke.) Die preußische Regierung sah sich 
vor eine kaum zu bewältigende Fülle der schwierigsten Aufgaben gestellt, die 
sich alle demselben Ziele unterordneten: Der Wiederherstellung, Neubildung und 
Vollendung des Einheitsstaates. 
a. Da galt es zunächst, das bunte „Gewirr von Ländertrümmern", 
das dem Staate neu zugewiesen worden war, mit den alten Provinzen zu 
einem einheitlichen Ganzen zu verschmelzen und die Organisation der 
Staatsverwaltung zu ergänzen und ihre Bezirke neu abzugrenzen. 
b. Die zerrütteten Finanzen bedurften dringend einer Neuordnung, 
die wieder auf die gesamte Wirtschaftspolitik ihre Rückwirkung ausüben und 
besonders in der Zoll- und Handelspolitik zur Eröffnung völlig neuer Bahnen 
führen mußte. 
c. Der Erhaltung der Wehrkraft des Landes mußte durch die Ein- 
führung einer neuen Wehrordnung Rechnung getragen werden. 
d. Der starke Zuwachs Preußens an Untertanen, die der römischen 
Kirche angehörten, machte eine Auseinandersetzung des Staates und der Kirche 
über ihre gegenseitigen Verpflichtungen zur Notwendigkeit. 
6. Endlich forderten die Bedürfnisse der Zeit auch die Inangriffnahme 
der schwierigsten aller innerpolitischen Fragen, der Verfassungsfrage.2) 
2. „Niemals in der neueren Geschichte hatte eine Großmacht so 
schwierige Aufgaben der Verwaltung zu lösen." 
a. Zu den 5 Millionen Einwohnern alten Bestandes war dem Preußischen 
Staate eine Bevölkerung von 5 V2 Millionen hinzuüberwiesen worden, die vor 
*) Ausführlicberes über die Kongresse von Troppau, Laibach und Verona sowie 
über die politischen Zustände in Frankreich, England, Spanien und Italien bei Treitschke, 
III. Bd. und Flathe: Restauration und Revolution. 
2) Die preußische Zollpolitik und die Verfassungsfrage soll erst an späterer Stelle 
zur Behandlung kommen. 
Jahn, Zur deutschen Geschichte. III. Teil. 5
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.