Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte von 1648 bis 1815 (Teil 2)

108 Vom Großen Kurfürsten bis zum Tode Friedrichs des Großen. 
Augusts II. von Sachsen und Polen und durch die Freundschaft Ludwigs XIV. 
von Frankreich für Stanislaus Lesczynski wurde die Aufmerksamkeit der Nach¬ 
barstaaten Polens in stärkerem Maße auf das trotz seiner Größe dennoch 
politisch ohnmächtige Reich gelenkt. 
August II. trug sich mit dem Gedanken, die berühmte polnische „Libertät" 
HU brechen und die alte Adelsrepublik zu einer erblichen Monarchie umzugestalten. 
Um nun dabei von den Nachbarstaaten keinen Widerstand zu erfahren, wollte 
August II. einige Provinzen an Rußland, Österreich und Preußen abtreten. 
(1733 suchte er bei einer Zusammenkunft mit dem preußischen General Grumbkow 
in Krossen Friedrich Wilhelm I. für seine Pläne zu gewinnen.) 
Ludwig XV. von Frankreich beabsichtigte, seinem Schwiegervater Stanislaus 
Lesczynski die polnische Königskrone zu verschaffen, um nötigenfalls den 
Habsburgern im Osten Schwierigkeiten bereiten zu können. 
ß. Den Ostmächten aber kam es darauf an, Polen in seiner alten 
Zerrüttung zu erhalten. Darum verpflichteten sie sich schon vor dem Tode 
Augusts II. gegenseitig dazu, nur die Wahl eines solchen Königs zuzulassen, 
der den Nachbarländern keinerlei Ungelegenheiten bereiten werde. August III. 
von Sachsen war für Österreich 'als König von Polen unerwünscht, weil er 
die pragmatische Sanktion anfocht, Lesczynski sollte wegen seiner Beziehungen 
zu Frankreich von der Wahl ausgeschlossen sein. Die Ostmächte einigten sich 
zunächst aus die Person des Jnfanten Emanuel von Portugal als Thron¬ 
prätendenten für Polen. 
y. Gleichzeitig traf Rußland mit Preußen in dem Löwenwoldeschen Ver¬ 
trage (1732) eine Übereinkunft von nicht geringer Wichtigkeit. Um die von 
den Polen beabsichtigte Aufteilung des Herzogtums Kurland in einzelne 
Woiwodschaften zu Verbindern, sollte das Herzogtum einem preußischen Prinzen 
übertragen werden. Österreich und Rußland wollten für die Ausführung 
dieser Idee eintreten. 
f. Als Österreich und Rußland jedoch ihre Absichten mit Polen ohne 
Preußens Mitwirkung erreicht hatten, gaben sie ihren bisherigen Ver¬ 
bündeten ohne Rücksicht aus alle Verträge treulos preis. 
a. Die Freundschaft zwischen Österreich und Preußen war infolge des 
rücksichtslosen Egoismus des Kaisers bereits gelockert worden. 
Der Wiener Hof hatte die Verheiratung des preußischen Kronprinzen 
mit einer englischen Prinzessin hintertrieben, als Österreich in England einen 
Gegner erblickte. Dem Kaiser zuliebe hatte Friedrich Wilhelm seinen Sohn zur 
Verlobung mit Elisabeth von Braunschweig-Bevern, einer Nichte der Kaiserin, 
gezwungen. Als sich nun aber eine Annäherung Englands und Österreichs 
vollzogen hatte, schien dem Kaiser plötzlich wieder die englische Heirat des 
Kronprinzen von Preußen wünschenswert. Mit Recht empfand es Friedrich 
Wilhelm als eine persönliche Beleidigung, daß der Kaiser noch am Vorabend 
der Vermählung des Kronprinzen mit. Elisabeth die Aufhebung des Verlöbnisses 
und die Wiederaufnahme der Unterhandlungen mit England verlangte. 
ß. August III. von Sachsen war für Österreich so lange als Bewerber 
um die polnische Königskrone unmöglich gewesen, als er Erbansprüche an die 
habsburgischen Besitzungen erhoben hatte. Nachdem er aber auf diese Ansprüche 
verzichtet hatte, stimmten Österreich und Rußland seiner Wahl in Polen zu, 
ohne sich an den Einspruch Preußens zu kehren, dem August III. die An¬ 
erkennung der Rechte auf Berg und Kurland verweigerte.
	        
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