Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte von 1648 bis 1815 (Teil 2)

Preußen unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. 
119 
J. In nachdrücklichster Weise übte der König den Bauernschutz aus. 
Er verbot die Einziehung von Bauernstellen (das Bauernlegen) und befahl den 
Regierungen (Landgerichten), strengstens darauf zu achten „daß kein Landesvasall, von 
dem Markgrafen an bis zu dem geringsten, er sei, wer er wolle, sich eigenmächtig 
unterstehen dürfe, einen Lauern ohne gegründete rai80n und ohne den Hof wieder 
zu besetzen, aus dem Hofe zu werfen" (t?3g). 
6. Sowenig die derb realistische Natur des Königs imstande war, die 
Bildungswerte der Geisteswissenschaften und schönen Künste zu würdigen, so 
widmete er doch der Förderung der allgemeinen Volksbildung das 
lebhafteste Interesse. 
a. Die Pflege der Wissenschaften erschien dem krassen Nützlichkeitssinne 
Friedrich Wilhelms I. nur insofern wichtig, als er ihre praktische Bedeutung 
zu erkennen vermochte (Rechtswissenschaft, Medizin, X^eotogie); im übrigen 
begegnete er der Arbeit der Gelehrten nur mit Hohn und beleidigender Gering¬ 
schätzung (Gundling im Tabakskollegium; Vertreibung des Philosophen Wolff 
aus Halle). 
b. Um so höher wußte der König den „sittlichen und wirtschaftlichen 
Segen einer weitverbreiteten Schulbildung" zu schätzen. 
Darum ging er auch auf diesem Gebiete der Gesetzgebung allen andern 
Großstaaten Europas voran, indem er 1717 die Einführung des Schul¬ 
zwanges verfügte. 
Bei nachdrücklicher Strafe sollten die Eltern gehalten sein, ihre Kinder vom 
5. bis \2. Lebensjahre im Winter täglich, im Sommer wenigstens zweimal wöchentlich 
zur Schule zu schicken. Damit die Schulen nicht wie bisher lediglich aus kirchlichen 
Mitteln unterhalten zu werden brauchten, erließ der König eingehende Verfügungen 
über die Erhebung von Schulgeld, den Bau von Schulhäusern, die Besoldung der 
Lehrer und warf (x736) aus staatlichen Mitteln einen Fonds von 50 000 Taler zur 
Förderung des Landschulwesens aus. Den um die Lehrerbildung hochverdienten 
Franckeschen Anstalten zu Halle ließ er reichliche Unterstützung angedeihen. Trotz der 
geringen Mittel, die dem Könige für diesen Zweck zur Verfügung standen, hat er 
doch nicht weniger als \8oo Schulen gegründet. 
c. In kirchlichen Dingen zeigte sich der König trotz feines streng 
protestantischen Glaubens doch auch gegen seine katholischen Untertanen durch¬ 
aus tolerant; seiner Glaubensgenossen in andern Ländern aber nahm er sich 
mit regem Eifer an (Salzburger, Protestanten in Thorn). 
7. Wie Friedrich Wilhelm I. dem preußischen Hof- und Staatsleben 
die rauhe Tüchtigkeit seines eigenen Wesens aufzuprägen verstand, so wurde 
er auch seinem Volke der große Zuchtmeister, in dessen harter Schule dem¬ 
selben die sittlichen Kräfte erwuchsen, in deren Entfaltung das Geheimnis der 
Macht und Größe Preußens beruht. 
(Vorbild der spartanisch-einfachen Lebenshaltung des Hofes, der unermüdlichen 
Arbeitsamkeit des Königs; rücksichtsloses Eingreifen des strengen Gewaltherrschers 
auch in die Kreise des Privatlebens: Einschränkung der Vergnügungen und des Luxus, 
verbot des Müßiggangs rc.)9 
9 Zum eingehenden Studium der Verdienste Friedrich Wilhelms I. um den 
preußischen Staat seien außer den erwähnten Werken von Droysen, Ranke und Lamprecht 
besonders die diesbezüglichen Aufsätze Schmollers in Bd. 26 der Preußischen Jahrbücher 
empfohlen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.