Brandenburg unter dem Großen Kurfürsten.
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worden wie der alte bayrisch-österreichische Antagonismus und der Gegensatz
zwischen den kurfürstlichen und fürstlichen Territorien. „Und endlich, was
hatte man im Reich vom Kaiser zu gewärtigen? Es war mit Sicherheit
vorauszusehen, daß man in Wien alsbald versuchen werde, trotz der Souveränitäts¬
erklärung der Reichsstände die dominierende Stellung des Hauses Österreich
von neuem zu gewinnen und zu befestigen; der alte Kampf der reichsständischen
Autonomie gegen die habsburgische Kaisergewalt war keineswegs abgetan, und
in dem Bedürfnis der Abwehr begegneten sich die Interessen protestantischer
und katholischer, auf andern: Kampfgebiet hart widereinander stehender
Reichsstände. So war trotz des offiziellen Friedens die politische Atmosphäre
des Reichs von Keimen des Unfriedens erfüllt." (Erdmannsdörffer.)
ß. Bei dem gänzlichen Mangel einer regulierenden Reichsgewalt blieb
den auf sich gestellten, souveränen Reichsständen nichts übrig, als „sich selbsten
zu salvieren" und in gegenseitigem Zusammenschluß Schutz zu suchen
gegen die Unsicherheit der politischen Lage. 1650 verbündeten sich die Stände
des oberrheinischen und im folgenden Jahre die des kurrheinischen Kreises
zu gegenseitiger organisierter Kriegshilfe. Während aber diese föderativen
Bewegungen durchaus auf verfassungsmäßigem Boden standen, da sie sich
innerhalb der Grenzen der gesetzlichen Bezirkseinteilung hielten, gingen die
Ziele der von den drei braunschweigischen Höfen angeregten Bundespolitik
weit über den Rahmen einzelner Kreise hinaus. In der Hildesheimer
Allianz (1652) schlossen sich die welfischen Fürstentümer mit Hessen-Kassel
und Bremen-Verden zusammen, und auch Brandenburg stellte seine Annäherung
in Aussicht.
y. „Man wird diese Versuche, das Werk mühseligster diplomatischer Klein¬
arbeit, in ihrer praktischen Bedeutsamkeit nicht überschätzen dürfen. . . . Immer¬
hin aber lagen in ihnen doch die Anfänge neuer Parteibildungen, die unter
günstigen Umständen zu glücklicher Betätigung gelangen konnten. Denn auf das
Wirken und Gegenwirken von Parteien war das politische Leben des Reichs,
dessen Einheitscharakter immer mehr zurücktrat, jetzt mehr als zuvor gestellt."
b. Der energische Widerstand des Großen Kurfürsten brachte auf
dem Reichstage zu Regensburg (1653) die Steuerpläne des Kaisers zum
Scheitern und verhinderte dadurch die Sanktionierung der finanziellen Aus¬
beutung des Reiches für die dynastischen Zwecke der Habsburger.
a. Im Westfälischen Frieden war der weitere Ausbau der Reichs¬
verfassung der Tätigkeit des nächsten Reichstages zugewiesen worden. Die
absichtliche Verzögerung der Einberufung der Reichsstände zeigte zur Genüge,
wie wenig dem Kaisertume an der Verbesserung der doch so gänzlich lebens¬
unfähigen staatlichen Ordnung des deutschen Volkes gelegen war. Wenn
Ferdinand III. sich endlich (1653) zur Eröffnung eines Reichstages verstand,
o bewog ihn dazu hauptsächlich der Wunsch, die finanziellen Ver¬
pflichtungen des Reiches gegen den Träger der Kaiserkrone möglichst zum
Vorteile des Hauses Habsburg geregelt zu sehen: der Reichstag sollte be¬
schließen, daß bei einer Auflage vom Kaiser geforderter Steuern der Majoritäts¬
entscheid des Reichstages für alle Reichsstände bindende Kraft haben solle.
Und doch war eigentlich gar nicht festzustellen, wofür das Reich dem Kaiser
Steuern bewilligen sollte; die Kosten für das Kammergericht wurden durch
die sogenannten Kammerzieler aufgebracht, das Kriegswesen lag offiziell in
der Hand der einzelnen Kreise, und alle sonstigen Funktionen des Reichsober-