Die letzten deutschen Könige vor dem Interregnum. — Die Kreuzzüge. 117
Alle diese vielversprechenden Anfänge wurden aber durch den Tod des
Königs vernichtet. Wilhelm fiel 1256 auf einem Zuge gegen die Friesen.
d. Wie groß die Macht des Bundes bereits war, geht daraus hervor,
daß er den Versuch machen konnte, die neue Königswahl in seine Hand zu
bekommen; der Bund rüstete, um seiner Wahl Nachdruck zu geben, und
nahm einstweilen die Königsrechte in seine Obhut. Die Fürsten zeigten
aber so wenig Interesse am Reiche, daß es zur Wahl zweier Ausländer kam:
Alfons X. von Kastilien ließ sich in Pisa zum Kaiser krönen, und in
Deutschland erhielt Richard von Cornwallis als Kandidat des Papstes die
Stimmenmehrheit.
3. Alfons von Kastilien und Richard von Cornwallis erlangen beide
keine Macht in Deutschland, sondern sind nur Titularkönige.
Alfons ist nie nach Deutschland gekommen, und Richard, der „schlaffe
Mann, den in England niemand ernst nahm", genoß nur so lange Ansehen,
als seine Geldmittel zur Bestechung der Fürsten vorhielten. Er
starb 1272. Der Bund erkannte diesen unfähigen König an und verlor
dadurch die Sympathien vornehmlich der Laienfürsten. Er verfiel vollständig.
§ 38. Die Ureuzzüge.
„Die Kreuzzüge sind nicht nur aufzufassen als ein gesteigerter
Ausdruck des Verlangens, in heißer Andacht am Grabe Jesu Christi
in Jerusalem zu beten, sondern ebensowohl als ein großartiger
und wenn auch schließlich mißlungener, so doch überaus folgen-
reicher Versuch der gesamten Christenheit, die an den Islam ver-
lornen altchristlichen Gebiete in ganzem Umfange wiederzu-
gewinnen und daneben die Herrschaft des Kreuzes sogar noch
nach andern Seiten über die bisherigen Grenzen auszudehnen."
(Kugler, Geschichte der Kreuzzüge.)
I. Die Ursachen der ttreuzzüge.
1. Die gesamte Kreuzzugsbewegung kann als ein durch die Tendenz
christlicher Weltherrschaft verursachter starker Offensivstoß des Abend-
landes gegen den Islam betrachtet werden.
Die Angriffslust des Islams war nach den schweren Niederlagen, durch
welche das christliche Abendland seinem Vordringen ein Ziel gesetzt hatte (im
Westen durch Karl Martell, im Osten durch Kaiser Leo den Jsaurier),
bedeutend geschwächt worden. Im 11. Jahrhundert jedoch erhob sich der durch
die Aufnahme der kriegerischen Turkomannen (nach ihrem ersten Häuptlinge
Seldschuken genannt) neu gestärkte Islam zu „fast vernichtenden Stößen"
gegen die Christen. Der byzantinische Kaiser Diogenes wurde 1071 völlig
geschlagen, und von Nordafrika aus bedrohte das große Reich der „tapferen
und sanatischen Almoraviden" das westliche Abendland. Gegenüber diesen
Erfolgen des Islams mußte die abendländische Christenheit die Zukunft ihres
Glaubens gefährdet sehen. Nun erhob sich aber gerade damals in der ge-
waltigen von Cluny ausgehenden religiösen Bewegung (f. § 23) der Gedanke
von der Überwindung und Beherrschung der ganzen Welt durch die
christliche Kirche zu einer die gläubigen Gemüter beherrschenden Macht.