Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Dreißigjährigen Krieges (Teil 1)

238 Deutsche Geschichte in der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege. 
4. Allein Christian von Sachsen starb schon 1591, Johann Kasimir 
1592, und damit wurden alle protestantischen Einigungsversuche hinfällig, 
zumal in Sachsen „eine wüste lutherische Reaktion" begann, der der Kanzler 
Crell zum Opfer fiel. 
III. Die schlimmen Folgen der protestantischen Uneinigkeit offenbarten 
sich sofort in weiteren Fortschritten des Katholizismus am Rheine. 
1. In Straßburg setzte der Kaiser trotz des Widerstandes der evange- 
tischen Stadt und des Domkapitels die Einsetzung eines streng katholischen 
Bischofs gegenüber der Wahl des Prinzen Johann Georg von Brandenburg 
zum Administrator des Bistums durch. 
2. In Aachen wurde durch kaiserlichen Machtspruch und das gewalt- 
same Eingreifen des katholischen Herzogs von Jülich und der Spanier die 
alleinige Geltung des katholischen Bekenntnisses erzwungen. 
3. In Jülich-Kleve starb 1592 der alte Herzog Wilhelm, und dessen 
geisteskranker Sohn bedurfte einer vormundschaftlichen Regierung. Nun stand 
aber das Aussterben des Herzogshauses überhaupt bevor, und die Lande 
mußten alsdann in den Besitz protestantischer Fürstenhäuser übergehen (Hohen- 
zollern, Pfalz-Neuburg, Pfalz-Zweibrücken). Trotzdem aber bestätigte der 
Kaiser das vormundschaftliche Regiment der alten katholischen Räte des Herzogs, 
um so von vornherein das Aufkommen der protestantischen Erben der Länder 
zu verhindern. 
IY. „So bietet die ganze, für das gegenseitige Verhältnis der Be- 
kenntnisse vornehmlich maßgebende Westgrenze des Reiches dasselbe Bild dar: 
überall Fehlschläge auf protestantischer Seite, Fortschritte aus katho- 
lischer Seite. ... Eine Union aller Protestanten, rechtzeitig geschlossen, 
würde auf die geistige Revolution der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine 
politische der zweiten Hälfte gesetzt haben: eine der großen Mehrheit nach 
protestantische Nation hätte auf die Dauer in dem Gehäuse der mittelalterlichen 
Reichsverfassung nicht leben können, hätte von Grund aus einen Neubau aus- 
führen müssen. Jetzt schien diese Wendung der Dinge mindestens für lange 
Zeit hin ausgeschlossen. Was war da für die Unterlegenen noch zu tun? 
Es blieb, wollte man sich nicht von vornherein selbst aufgeben, nichts mehr 
übrig als eine noch nach Möglichkeit kraftvolle Sprengung des alten 
Gehäuses, gleichviel, welche Folgen ein solches Vorgehen zeitigen werde. 
Das war der dornenvolle Weg, welchen die eifrig protestantischen Elemente 
nunmehr langsam, tastend, unter Sorgen und Ablenkungen einzuschlagen be- 
gannen. Er führte mit dem Jahre 1608 formell zum Ziele; seine letzte 
Konsequenz aber war der Dreißigjährige Krieg." (Lamprecht.) 
§ 71. Die Sprengung des Reichstages durch die Protestanten. 
Da sich die protestantischen Reichs stände durch die Gegen- 
Wirkungen des katholischen Kaisertums und des überwiegend katho- 
lischen Reichstages dauernd gefährdet sehen, versuchen sie, schließlich 
mit Erfolg, sich von den veralteten Formen der Reichsverfassung 
zu emanzipieren. 
I. Die Möglichkeit einer Sprengung der Reichsverfassung erwuchs 
aus den Schwierigkeiten und Hindernissen, welche das Kaisertum in seinen 
habsburgischen Erblanden schwächten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.