240 Deutsche Geschichte in der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Stiege.
Ungarn ein. Ms nun Rudolf gegen Matthias Intrigen anzettelte, sah
dieser sich genötigt, sich mit den meist protestantischen Ständen Ungarns,
natürlich unter Verzicht auf die Gegenreformation, zu verbünden. 1608
schlössen sich die ungarischen, mährischen und österreichischen Stände zu Ster-
hobol zu einem Bündnis zusammen, worin Rudolf zum Verzicht auf seine
Erbländer (außer Böhmen) gezwungen wurde, die Stände sich aber gleich-
zeitig zum Schutze des Protestantismus verpflichteten.
Durch diesen ständischen und protestantischen Sieg ward Rudolf II.
verhindert, fernerhin das Gewicht feiner Hausmacht für die Be¬
kämpfung des Protestantismus im Reiche in die Wagschale zu werfen.
II. Die Machtlosigkeit des Kaisers wird von den Korrespondierenden
zur Sprengung der Reichsdeputation und des Reichstages selbst ausgenützt.
1. Die Reichsdeputation war ein ständiger Ausschuß des Reichs-
tages, der 1555 zur Visitation des Reichsgerichts und als letzte Revisions¬
instanz eingerichtet worden war. Dieser Reichsdeputation, die eine katholische
Majorität besaß, lagen nun einige Prozesse gegen protestantische Stände wegen
Säkularisationen zur Entscheidung vor. Die Sache war für die Protestanten
außerordentlich wichtig, weil auf solchen Säkularisationen ein großer Teil des
Reichtums der protestantischen Stände beruhte. Da die Korrespondierenden
in Anbetracht der katholischen Majorität die Entscheidung voraussahen, ver-
hinderten sie das Zustandekommen derselben, indem sie 1601 die
Reichsdeputation durch Verlassen derselben zur Einstellung ihrer
Sitzungen zwangen. Ebenso ertrotzten die Korrespondierenden 1603 auf
dem Reichstage zu Regensburg durch die Drohung, den Reichstag zu verlassen,
eine Vertagung der Angelegenheit ins unbestimmte.
3. Gelegentlich des Streitfalles zwischen Bayern und Donauwörth
sprengten die Korrespondierenden auch den Reichstag.
In dem überwiegend protestantischen Donauwörth hatten sich die Jesuiten
eingenistet und hatten 1603 durch herausfordernde Prozessionen die Protestanten
zu einer Störung eines solchen Umzuges gereizt. Daraus war der Herzog
Max von Bayern von dem Kaiser mit der Bestrafung der Stadt beauftragt
worden, hatte Donauwörth befetzt, den Katholizismus in jeder Weise begünstigt
und wollte die Stadt ohne Ersatz der Kriegskosten nicht mehr freigeben.
Da erhoben die protestantischen Stände 1608 Beschwerde beim Reichstage
zu Regensburg und bewilligten dem Kaiser keine Türkenhilfe, bevor nicht
ihrer Beschwerde stattgegeben worden fei. Diesmal schloffen sich auch die
sächsischen Protestanten den Korrespondierenden an, und als die pro¬
testantische Beschwerde von den katholischen Ständen nicht unbedingt angenommen
wurde, verließen die Pfälzer den Reichstag, welcher somit ohne Abschied
auseinandergehen mußte. „Die letzte große Institution, die die Ein¬
heit des Reiches noch gewährleistet und verkündigt hatte, der
Reichstag, schien vernichtet."
§ 72. Vorboten des Dreißigjährigen Krieges.
In den politischen Bündnissen der konfessionellen Parteien,
der Stellungnahme des Auslandes gelegentlich des Jülicher Erb-
streites und in der ausgesprochenen Parteinahme des Kaisers