Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Dreißigjährigen Krieges (Teil 1)

84 Die Geschichte des deutschen Kaiserreiches bis zur Zeit des Interregnums. 
königlichen Grundbesitz durch reiche Schenkungen verschwendeten. Anno ließ 
sich z. B. ein Privileg geben, welches ihm ein Neuntel aller Reichsgefälle 
übertrug. So ging dem Königtume ein beträchtlicher Teil seines Grundbesitzes 
und seiner Einkünfte verloren. 
2. Dem Papsttume gegenüber. 
a. Die Kaiserin Agnes förderte selbst die Ziele der Klumazenser, indem 
sie kritiklos der Verwerfung der Wahl Benedikts X. zustimmte und die Ein¬ 
setzung Nikolaus' II. begünstigte. 
1). Der Beschluß der Lateransynode von 1059 fand zwar den 
energischen Widerspruch der deutschen Bischöfe auf einer Synode zu Worms; 
„das traurige Regiment der kaiserlichen Frömmlerin" aber wußte der päpst- 
lichen Anmaßung nicht zu begegnen. 
c. Anno von Köln vernachlässigte und schädigte das Interesse des 
Königtums dem Papsttume gegenüber aufs schwerste. 
Nach dem Tode Nikolaus' II. (1061) wählte die Reformpartei den 
Bischof Anselm von Lucca, der als Papst Alexander II. auch von Gott¬ 
fried von Tuscien anerkannt wurde. Der römische Adel wählte dagegen 
Cadalus von Parma, welchem es gelang, sich in Rom zu halten. Hilde- 
brand wußte jedoch dessen Weihe durch Bestechung zu verzögern. Unterdessen 
erschien Gottfried vor Rom und wies beide Päpste zur Entscheidung an den 
deutschen König. Obgleich unzweifelhaft für den König nur die Wahl des 
Cadalus gültig sein konnte, da Alexander nach dem Wahlmodus der Lateran- 
synode von 1059 gewählt worden war, entschied sich des Königs Vertreter 
doch für Alexander. Beide Päpste mußten ihre Angelegenheit der Synode 
von Augsburg (1062) vorlegen. Diese beschloß unter Annos Einfluß, daß 
dessen Neffe Burchard von Halber st adt in Italien selbst als deutscher 
Kommissar entscheiden sollte. Burchard entschied natürlich für Alexander. Das 
Konzil zu Mantua (1064) sollte das letzte Wort sprechen. Statt aber die 
Wahl beider Päpste zu prüfen, begnügte sich Anno mit dem Schwüre 
Alexanders, nicht auf simonistischem Wege gewählt worden zu sein. Annos 
Entscheidung war um so erstaunlicher, als er sich bis dahin als entschiedener 
Gegner der Reformpartei gezeigt hatte. Es darf vermutet werden, daß diese 
Schwenkung seiner Politik mit dem Raube des Königskindes im Zusammen- 
hange stand: um Gottfried von Tuscien und andere Anhänger der Reform 
zur Anerkennung seiner vormundschaftlichen Regierung zu bewegen, trat er 
für deren Papst ein. So veruntreute er also die Rechte des Königtums aus 
egoistischem Interesse. 
§ 27. Der Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum unter Heinrich IV. 
I. Der Gegenstand des Kampfes. 
1. Das Papsttum hatte seit der Karolingerzeit mit kurzen Unterbrechungen 
unter der Schutzherrschaft des Kaisertums gestanden. Die kaiserliche Ober- 
hoheit gegenüber dem Papsttume hatte sich in dem Wahlrechte des Kaisers 
und in seinen richterlichen Befugnissen gezeigt. 
2. Durch die kluniazensische Reformbewegung aber war die Idee der 
religiösen Weltherrschaft des Papsttums entwickelt und in den Vertretern 
desselben wirksam geworden. „Es lag ein Widerspruch darin, daß der Papst
	        
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