Full text: Geschichtliche Bilder und Vorträge

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fernstehende Bürger Spenden, wie Liebe und Verehrung sie den 
Toten mit ins Grab zu geben Pflegte, herbeigebracht: Schalen mit 
Früchten, Fläschcheu mit Salben, Krüge mit Oel und mit Wein, Kleider 
und Geräte, wie der Lebende ihrer bedurft hatte, auch zierliche 
mit matten Farben leicht bemalte Thonfiguren, welche in lebensvollen 
Gestaltungen des Verstorbenen Verwandte und Freunde zur Dar- 
stellung brachten, von denen er selbst im Grabe nicht verlassen sein 
sollte. So genügte man den frommen Bedürfnisse der Zeit; so 
ehrte man jene Helden auch über den Tod hinaus. Kisten von 
Cypressenholz, je eine für jeden der zehn Stämme der Bürgerschaft, 
nahmen dann die Gebeine auf. 
Am Morgen jenes Tages wurden diese auf Wagen gesetzt, um 
zum Friedhofe geführt zu werden. Auch Pflegte man eine leere Kiste 
mitzuführen; sie galt als das Behältnis für die irdischen Überreste 
derjenigen unter den Gefallenen, deren Leiber nicht hatten aufge- 
funden werden können. 
Den Zug eröffneten Trompeter, welche kriegerische Weisen er- 
schallen ließen. Es folgte der Archon Polemarch im wallenden 
Pnrpurgewaude, in der einen Hand das nackte Schwert, in der 
andern den Krug mit Salböl. Dann kam der schwarze Opferstier, 
die vergoldeten Horner von Blumen umwunden, geführt von freien 
Jünglingen, denn Sklaven waren durch das Gesetz ausgeschlossen 
von einer Feier, welche die für die Freiheit Gefallenen verherrlichen 
sollte. Wagen mit Blumen und Laubgewinden schloffen sich an. 
Dann folgten von freien Jünglingen geleitet die Wagen mit den 
Überresten der teuren Toten. Jünglinge gingen nebenher mit Ge- 
säßen voll Wein oder Milch, voll Oel oder Salbe; andere trugen 
Schalen mit Obst und Backwerk, andere Körbe mit Rosen und 
Myrten. In unabsehbarem Zuge folgte die Schar der Leidtragenden 
in den dunkelfarbigen Gewändern der Trauer, darunter die besten 
und edelsten Bürger der Stadt; auch den Frauen und Jungfrauen 
und selbst den Nichtbürgern war die Teilnahme gestattet. Ernst 
und gemessen bewegte sich der Zug durch die Straßen der Nordwest- 
seite Athens zu. Von dem Dipylosthore schlug er den Weg ein, 
welcher nördlich von der nach Westen ausbiegenden heiligen Straße, 
die nach Eleusis führt, zur Akademie hinleitet. Zu den Seiten 
dieses Weges erhoben sich in geringer Entfernung von der Stadt 
uralte Heiligtümer; dann nahm der ehrwürdige Hain der Artemis 
den Trauerzug aus, und bald kennzeichneten Grabdenkmäler, die in 
immer dichterer Aufeinanderfolge den Weg umsäumten, die Nähe 
des Zieles. Schlanke Säulen waren es, die auf den Grabstellen 
sich erhoben, und bald niedrige breite Steinplatten, aus deren Giebel
	        
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